Landrat für Niebüll als neuen ITH-Standort
08.02.2005
Husum (SH) :: In den letzten Wochen gab es mehrfach Gerüchte, Flensburg sei als geplanter Standort für einen Intensiv- Transporthubschrauber besser geeignet als das offiziell angedachte Niebüll. Jetzt hält ein Landrat dagegen.
Warum ein Hubschrauber umziehen soll
Dr. Olaf Bastian betonte, Niebüll sei als bestgeeigneter Standort aus den Verhandlungen mit den beteiligten Institutionen hervorgegangen. Konkret geht es darum, dass der Intensivtransporthubschrauber (ITH) namens "Christoph 52" aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus von Hohenlockstedt bei Itzehoe nach Nordfriesland umziehen soll. Dabei wurde Niebüll als neuer Standort ausgehandelt. Nur durch die Verlegung des an sich nicht schlecht positionierten ITH schien die Anzahl der Luftrettungsstandorte in Schleswig-Holstein haltbar. Der Grund: Drei Rettungshubschrauber kosten den Krankenkassen als maßgeblichen Kostenträgern zu viel Geld. Durch die Verlegung wird es ermöglicht, dass "Christoph 52" auch in Dänemark Rettungseinsätze fliegt - und das zahlen die europäischen Nachbarn. Denn die Dänen haben bislang kein Luftrettungsnetz mit Hubschrauberstandorten installiert, das dem deutschen strukturell vergleichbar wäre. Entsprechende Pläne liegen zwar vor, ihre Umsetzung ist jedoch noch sehr ungewiss.
Die Inseln Nordfrieslands ein "weißer Fleck"
„Der Nordwesten ist bei der Luftrettung ein weißer Fleck auf der Landkarte“, begründete Rudolf Facklamm, stellvertretender Leiter des Landesverbandes der Ersatzkassenvereinigung, gegenüber dem Flensburger Tageblatt die Entscheidung.
Man will darüber hinaus auch die Möglichkeit nutzen, eine bessere Versorgung der nordfriesischen Inseln zu gewährleisten. Die dortige medizinische Infrastruktur kann nicht gewährleisten, dass unter jährlich ca. einer Million Feriengästen jeder im Urlaub erkrankte oder verletzte Tourist auch direkt auf der Insel maximal versorgt werden kann. Die Folge: In akuten Fällen muss ein schneller Transport aufs Festland gewährleistet sein. Die Erfahrung zeigt aber auf den ostfriesischen Inseln ein Problem: Oftmals ist es bei solchen Rückholungsflügen auf das Festland doch nicht so schlimm, der Transport ist dann einfach nur praktischer und schneller als der Schiffsweg - doch nicht immer auch wirtschaftlich gerechtfertigt. Dafür fehlt der Hubschrauber dann in manchen Fällen an anderer Stelle, wo er möglicherweise dringender gebraucht worden wäre. Hinter vorgehaltener Hand hieß es an der Nordseeküste auch schon, hier werde die Versorgung durch den Rettungshubschrauber für Prestigezwecke des Tourismus missbraucht. Entsprechende sinngemäße Äußerungen sind rth.info aus Rettungsdienstkreisen bekannt.
Flensburg als Standortoption ins Gespräch gekommen
Nachdem der Umzug des "Christoph 52" trotz Widerständen aus dem Itzehoer Umfeld als strategisches Ziel der rettungsdienstlichen Bedarfsplanungen Frühjahr / Mitte 2004 durchgesetzt war, wurde unlängst die Auffassung laut, die Stadt Flensburg biete sich als Standort deutlich eher an als Niebüll. Der Grund: In Niebüll ist im Gegensatz zu Flensburg keine flugbetriebliche Infrastruktur vorhanden. So müssen dort z.B. Tankanlage und Unterbringung für den Hubschrauber neu errichtet werden, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. Der neue Standort biete auch Konfliktpotenzial, da er in einem Wohngebiet geplant sei und somit Lärmklagen der Anwohner zu erwarten seien. In Flensburg könne man hingegen auf den dortigen Flugplatz zurückgreifen.
Die Verantwortlichen begründen nun die Entscheidung für den Standort Niebüll über die bisherigen Argumente hinaus damit, dass Niebüll dem dänischen Hoheitsgebiet näher liege als Flensburg. Die Entfernung Flensburg-Niebüll beträgt dabei nach Schätzungen von Experten etwa sieben Flugminuten, berichtete das Flensburger Tageblatt am 02. Februar. „Unter Berücksichtigung der ,Golden Hour' und der Kostensituation stellt sich die Frage, ob Flensburg nicht auch ein akzeptabler Standort wäre“, zitiert das Blatt Rudolf März, seines Zeichens Chef der Flensburger Berufsfeuerwehr und für den Rettungsdienst zuständig.
Flensburg schnitt auch als Option für die Stationierung von Christoph 52 bei den Beratungen der Verantwortlichen gar nicht so schlecht ab, merkt das Blatt an. Es beruft sich auf ein Gutachten des medizinischen Dienstes der DRF von Februar 2004 und zitiert:
„Kriterien wie Abdeckung der bevölkerungsstarken Kernregion, Erreichbarkeit der Nordfriesischen Inseln, Kostenoptimierung durch kurze Umlaufzeiten, gute Anbindung an zwei leistungsstarke Kliniken, Integration in ein deutsch-dänisches Rettungsdienstkonzept, geeignete flugbetriebliche Infrastruktur sprechen unter Berücksichtigung aller Faktoren für den Standort Flensburg als Betriebsstandort für einen Rettungshubschrauber.“
Das Dokument aber sei veraltet, hielt der Kreis Nordfriesland offiziell dagegen. Im März 2004 nämlich sei die vollständige Version herausgegeben worden - und die habe die Entscheidung zugunsten Niebülls enthalten.
Von Seiten der DRF, so das Flensburger Tageblatt, habe es auch geheißen, nicht nur in Niebüll seien für den Umzug Investitionen nötig. Dies gelte auch für den Flensburger Flugplatz, der eine Genehmigung für den Hubschrauberflugbetrieb hat. Man rechne in Niebüll mit einem notwendigen Investitionsvolumen von etwa 700.000 Euro. Eine Summe, die Auswirkungen auf die Flugminutenpreise haben dürfte und so auf die Kostenträger umgelagert wird. Trotz allem dürfte sich der Plan rechnen, und das Sozialministerium ließ durch einen Sprecher verlauten, die Entscheidung sei ja „damals unter Beteiligung aller Gebietskörperschaften gefallen“. Landrat Bastian setzte noch einen drauf: „Völlige Einigkeit“ habe in der „hochkarätig besetzten Arbeitsgruppe mit Experten aus dem gesamten Land“ über den zukünftigen Standort Niebüll bestanden.
Und der Kreis Nordfriesland ließ bereits kundtun, dass der Beginn des Flugbetriebes am 01. April 2005 starten werde. Voraussichtlich, wie es dort wohlgemerkt heißt - obwohl sich ja alle einig sind.
Interessant ist übrigens, dass in allen rth.info aktuell bekannten Stellungnahmen zum Thema nur die Funktion des Hubschraubers als primäres Rettungsmittel (schneller Notarztzubringer für Notfälle) erwähnt wird. Wesentlich scheint die Aufgabe des Interhospitaltransfers den Kollegen der Crews von Christoph 52 übertragen zu werden, die mit "Christoph 42" in Rendsburg bereitstehen. Christoph 52 - vom Intensivtransport zur Urlauberrückholung? Man wird sehen.
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Noch startet Christoph 52 von einer aufgegebenen Bundeswehrkaserne bei Itzehoe zu seinen Einsätzen
Foto: Harald Rieger

Christoph 52, derzeit noch bei Itzehoe
Foto: Harald Rieger
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