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Der Rettungshubschrauber für die Westpfalz (Teil 2): David oder Don Quijote? Eine Bürgerinitiative pro RTH formiert sich und scheitert – vorerst

21.09.2019

In dieser Reportagenserie sind erschienen:

Im zweiten Teil der mehrteiligen Reportage “Der Rettungshubschrauber für die Westpfalz“ geht es um die Bürgerinitiative (BI) “Christoph Kaiser“, die sich von 2011 bis 2016 für die Stationierung eines Rettungshubschraubers in der Westpfalz einsetzte. Nach einem kurzen historischen Abriss der BI folgt ein ausführliches Interview mit deren Vorsitzenden Peter Ziepser. Der Imsweilerer Bürgermeister war zuletzt auch Stationsleiter des Johanniter-Luftrettungszentrums Pfalz in Sembach (Landkreis Kaiserslautern). Das Interview mit ihm führten Jörn Fries und Holger Scholl am Mittwoch, dem 11. September 2019.

Die Bürgerinitiative (BI) “Christoph Kaiser“ – ein kurzer historischer Abriss

Die BI wurde am 19. Januar 2011 gegründet – und zwar am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software-Engineering [IESE] in Kaiserslautern. Hierhin hatte der Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) “Christoph Kaiser i. Gr. mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 eingeladen. Viele Bürgerinnen und Bürger aus der Westpfalz folgten dem Aufruf, und so bildete sich schon kurz nach der Gründung ein harter Kern von zehn Mitstreitern, die – mit verteilten Aufgaben – das Anliegen der BI unters Volk brachten.

Ein historisches Dokument: das Einladungsschreiben der Bürgerinitiative “Christoph Kaiser“ i. Gr. aus dem Dezember 2010

Ein historisches Dokument: das Einladungsschreiben der Bürgerinitiative “Christoph Kaiser“ i. Gr. aus dem Dezember 2010

Foto: Peter Ziepser

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Der Gründung unmittelbar vorangegangen waren Berichte in den lokalen, aber auch überregionalen Medien über strukturelle Unzulänglichkeiten in der bodengebundenen rettungsdienst- und vor allem notärztlichen Versorgung der Bevölkerung in der Westpfalz. Kostenträger, wie beispielsweise die AOK, die betroffenen Landkreise und vor allem die Leistungserbringer, wie beispielsweise der rheinland-pfälzische Marktführer Deutsches Rotes Kreuz, bemühten sich zwar, diesem Umstand mit einer erweiterten Vorhaltung von bodengebundenen Rettungsmitteln und dem Neubau von Rettungswachen zu begegnen. Doch schon damals zeigte sich der Personalmangel im Rettungswesen ab, der sich ab 2014 durch das Inkrafttreten des Notfallsanitätergesetzes noch verschärfte. Vielen ging das zögerliche Reagieren der drei Partner auf die immer offener zutage tretenden strukturellen Probleme nicht weit genug, so auch den Machern in der BI “Christoph Kaiser“. Schließlich war ihr Name ihr Programm!

Mit im Boot saß deshalb Professor Dr. med. Christian Madler, der damalige Ärztliche Direktor des Westpfalz-Klinikums Kaiserslautern (WKK), der einst in seiner Münchner Zeit erfolgreich für die Stationierung eines Intensivtransporthubschraubers (ITH) am Klinikum der Technischen Universität München in Großhadern gekämpft hatte. Bis zur Auflösung der BI Ende 2016 – im Folgejahr scheidet Madler aus gesundheitlichen Gründen aus den Diensten des WKK aus – blieb ein harter Kern von vier Personen an der “gut‘ Sach‘“. Professor Madler und Ziepser, das kongeniale Duo der Initiative, reisten von Versammlung zu Versammlung, um Unterschriften zu sammeln und bei Entscheidungsträgern vorzusprechen. Peter Ziepser erinnert sich an ein besonderes Unterstützungsangebot: “Wir waren soweit, dass wir den FCK [rth.info-Hinweis für Nicht-Pfälzer: das ist der 1. FC Kaiserslautern, einst mehrfacher Deutscher Fußballmeister, spielt heute in der dritten Liga] im Boot hatten, um bei einem Heimspiel für Unterschriften zu werben. Das war jedoch politisch nicht gewollt und wurde uns letztendlich untersagt.“

Professor Madlers “Kind“: Der ITH “Christoph München“ am Klinikum Großhadern in München, heute von der DRF Lufrettung betrieben (Archivaufnahme aus dem Sommer 2017)

Professor Madlers “Kind“: Der ITH “Christoph München“ am Klinikum Großhadern in München, heute von der DRF Lufrettung betrieben (Archivaufnahme aus dem Sommer 2017)

Foto: Jörn Fries

Es gab zudem Hausärzte in der ländlichen Fläche, die die BI unterstützten. Sie warteten oft zu lange auf Unterstützung bei Notfällen. Die Allgemeinmediziner und ihre Praxisteams sammelten Unterschriften für die damalige Unterschriftensammlung (rth.info berichtete hierüber). Zudem engagierten sich einige Wehrführer von örtlichen Freiwilligen Feuerwehren bei der Unterschriftensammlung. Und als es schließlich darum ging, den vom WKK und der Johanniter Luftrettung (JLR) für den klinikinternen Transport von Notfallpatienten zwischen den einzelnen WKK-Standorten geplanten ITH in Imsweiler zu stationieren [rth.info: Es kam dann ja anders, die ehemalige US-Air-Force-Base Sembach wurde aus genehmigungsrechtlichen Gründen zunächst favorisiert und blieb dann Stationierungsort “bis zum bitteren Ende“.], stimmten die Ortsbürgermeister der umliegenden Gemeinden dem Projekt uneingeschränkt zu. Auch der Sembacher Bürgermeister unterstützte die zunächst als Interimslösung angedachte Stationierung in Sembach uneingeschränkt. Andere Politiker, die das Gespräch mit dem Innenministerium im fernen Mainz suchten, wurden auf die umliegenden Maschinen verwiesen, wie beispielsweise Saarbrücken [!], die ja ab und an noch Kapazitäten hätten, erinnert sich Ziepser. Als dann im Herbst 2016 dem Landtag eine Vorlage aus dem Innenministerium vorgelegt wurde, in der auf die fehlende Notwendigkeit eines fünften Rettungshubschraubers hingewiesen wurde (rth.info berichtete ausführlich), war die Luft bei allen Beteiligten raus. Die BI löste sich folglich zum Jahreswechsel auf. Erst zwei Jahre später keimte bei den Beteiligten wieder Hoffnung auf.

Das Land Rheinland-Pfalz sah 2016 keinen Bedarf für einen weiteren Rettungshubschrauber, sprach gar von einer Überversorgung in der Westpfalz

Das Land Rheinland-Pfalz sah 2016 keinen Bedarf für einen weiteren Rettungshubschrauber, sprach gar von einer Überversorgung in der Westpfalz

Foto: Werner Wolfsfellner MedizinVerlag (München)

Im Notfall konnte die ILS Kaiser auf folgende Rettungshubschrauber zurückgreifen: den RTH “Christoph 16“ aus Saarbrücken (hier 2004 bei einer Rettungsübung zu sehen), ..

Im Notfall konnte die ILS Kaiser auf folgende Rettungshubschrauber zurückgreifen: den RTH “Christoph 16“ aus Saarbrücken (hier 2004 bei einer Rettungsübung zu sehen), ..

Foto: Holger Scholl

..., den RTH “Christoph 5“ aus Ludwigshafen (hier 2008 an seiner Homebase an der BGU-Klinik in Ludwigshafen-Oggersheim), ...

..., den RTH “Christoph 5“ aus Ludwigshafen (hier 2008 an seiner Homebase an der BGU-Klinik in Ludwigshafen-Oggersheim), ...

Foto: Jörn Fries

..., für Verlegungsflüge der Dual-Use-RTH “Christoph 77“ aus Mainz (im Frühsommer 2012 steht die Ersatzmaschine vom Typ BK 117 einsatzklar an der Homebase an der heutigen UniversitätsMedizin Mainz)

..., für Verlegungsflüge der Dual-Use-RTH “Christoph 77“ aus Mainz (im Frühsommer 2012 steht die Ersatzmaschine vom Typ BK 117 einsatzklar an der Homebase an der heutigen UniversitätsMedizin Mainz)

Foto: Jörn Fries

EXKLUSIV-Interview mit Peter Ziepser, dem ehemaligen Vorsitzenden der Bürgerinitiative “Christoph Kaiser“ (2011-2017) und zuletzt Stationsleiter des “Air Rescue Pfalz“ (2018/2019)

Am späten Nachmittag des 2. September 2019 stellte der am 22. Oktober 2018 im Gewerbegebiet von Sembach (Landkreis Kaiserslautern) stationierte Intensivtransporthubschrauber (ITH) “Air Rescue Pfalz“ der Johanniter Luftrettung seinen Dienst ein, nachdem am Morgen des gleichen Tages der Dual-Use-Rettungshubschrauber (Dual-Use-RTH) “Christoph 66“ der ADAC Luftrettung kurzfristig seinen Vorlaufbetrieb am Interimsstandort Segelflugplatz Eßweiler (Landkreis Kusel) aufgenommen hatte (rth.info berichtete mehrfach).

Die ADAC Luftrettung gGmbH war als Gewinnerin aus einem Interessenbekundungsverfahren des Landes Rheinland-Pfalz zur laut Ausscheibung zunächst auf zwölf Monate befristeten Versorgung der Westpfalz mit Luftrettungs-Dienstleistungen hervorgegangen. Das für das (Luft-)Rettungswesen in Rheinland-Pfalz zuständige Ministerium des Innern und für Sport hatte erst am Vormittag des 2. September 2019 die Entscheidung zugunsten der ADAC Luftrettung offiziell mitgeteilt. Nahezu zeitgleich zur Betriebsaufnahme in Eßweiler wurden in Mainz die Verträge für den mehrwöchigen Vorlauf- und den einjährigen Interimsbetrieb zwischen Innenministerium, vertreten durch Innenstaatssekretär Randolf Stich (SPD), und ADAC Luftrettung, vertreten durch deren Geschäftsführer Frédéric Bruder, unterschrieben. Am späten Nachmittag des 2. September 2019 stellte der ITH “Air Rescue Pfalz“ der JLR seinen Dienst ein, nachdem er von der ILS Kaiser nicht mehr eingesetzt wurde. Noch am Sonntag, dem 1. September 2019, war die liebevoll “Red Nose“ genannte Maschine der Johanniter mehrere (Notfall-)Einsätze geflogen. rth.info sprach wenige Tage nach dem Wechsel mit Peter Ziepser, der die Funktion des Stationsleiters in Sembach innehatte.

rth.info: Herr Ziepser, danke, dass Sie sich unmittelbar nach diesen ereignisreichen, um nicht zu sagen turbulenten letzten Tagen als Stationsleiter des “Air Rescue Pfalz“ unseren Fragen stellen. In Ihrer Brust müssten jetzt eigentlich zwei Herzen schlagen. Zwar wurde am 2. September der subsidiär auch als RTH eingesetzte ITH „Air Rescue Pfalz“ für viele plötzlich und unerwartet aus der Westpfalz abgezogen, aber es ist Ihnen mit Beharrlichkeit nach über achtjährigem Engagement gelungen, dass in Ihrer Heimatregion, der Westpfalz, seit wenigen Tagen ein RTH – vorerst interimsweise und nur für ein Jahr – stationiert ist. Wie fühlen Sie sich?

Peter Ziepser:

Ich befinde mich in einem Wechselbad der Gefühle mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

rth.info: Wie geht es mit Ihnen persönlich weiter? Sie sind ja nicht nur DAS Gesicht des “Air Rescue Pfalz“, quasi bekannter als der sprichwörtliche bunte Hund, Sie sind ja auch noch Bürgermeister der Gemeinde Imsweiler und vieles anderes mehr.

Peter Ziepser:

Ich bleibe wie schon vor der Stationierung des ITH hier in der Westpfalz bei der Johanniter Luftrettung aktiv. Mit Günther Lohre [Redaktion: dem CEO der Johanniter Luftrettung] habe ich einen vorbildlichen Chef, der mir viele Optionen innerhalb der JUH offen lässt. Ich bin erneut für fünf Jahre als ehrenamtlich tätiger Bürgermeister meines Heimatorts gewählt und unterstütze die medizinische Versorgung in der Westpfalz, wo es geht. Ich hätte mir nur gern einen anderen Betreiber gewünscht, nicht der, der jahrelang versucht hat, einen zusätzlichen Standort in der Westpfalz zu verhindern bzw. keinen Bedarf dafür sah.

rth.info: Sie meinen die ADAC Luftrettung GmbH, die in Rheinland-Pfalz alle vier öffentlich-rechtlichen Rettungshubschrauber-Standorte betreibt?

Peter Ziepser:

Ja, genau. Dazu kommt ja dann auch noch der ADAC-Hubschrauber auf dem Winterberg in Saarbrücken.

rth.info: Wie haben Sie persönlich die letzten vierzehn Tage erlebt, insbesondere die Tage nach der Veröffentlichung des Rheinpfalz-Artikels Ende August, dass das Innenministerium den ADAC als künftigem Betreiber der Interims-Luftrettung in der Westpfalz bevorzuge?

Peter Ziepser:

Ich war von der Entscheidung pro ADAC, ehrlich gesagt, nicht überrascht, obwohl ich dachte, dass das Innenministerium verstanden habe, dass immer mehr Schwerlastpatienten transportiert werden müssen und das auch oft im Notfall. Wir haben mit unserer Maschine, einer “Dauphin“, und den damit angebotenen Leistungen, wie Schwerlast-, ECMO- und Infektionstransporte sowie dem Transport großer Inkubatoren für Neugeborene und Kleinkinder, einfach alles abgedeckt. Keine andere in der öffentlich-rechtlichen Luftrettung in Deutschland eingesetzte Maschine verfügt über eine so hohe Reichweite bei voller Beladung [rth.info 21.09.2019: Seit wenigen Tagen setzt die JLR – vorerst am Standort Reichelsheim/Wetterau – eine EC 155 B1/H155 von Airbus Helicopters ein, die über ein noch größeres Patientenraumvolumen verfügt ]. Für mich liegt deshalb hier ein Organisationsverschulden seitens des Ministeriums vor. Die Eigendynamik der letzten zwei Wochen hat mich dann aber doch schon überrascht.

rth.info: Dies wird Thema eines gesonderten Beitrages sein. Lassen Sie uns einen Blick auf die Anfänge Ihrer Initiative pro RTH vor mehr als acht Jahren werfen. Wie hat alles begonnen und sich entwickelt?

Peter Ziepser:

Irgendwann habe ich mein Netzwerk zusammen gerufen und mit Zuhilfenahme von Professor Madler [rth.info: Prof. Dr. med. Christian Madler war bis 2017 Ärztlicher Direktor des Westpfalz-Klinikums Kaiserslautern], haben wir uns quartalsmäßig getroffen und uns ausgetauscht. Wir organisierten Versammlungen, wir klapperten viele Veranstaltungen ab. Zugesagte Spenden und auch anderweitige Unterstützung, um Flyer zu drucken usw. wurden aber von gewissen politischen Seiten nicht immer eingehalten. Da habe ich den wahren Charakter von einigen Verantwortlichen kennengelernt und meine Schlüsse daraus gezogen. Trotzdem, obwohl nach der politischen Entscheidung der Landesregierung im Herbst 2016, keinen weiteren ITH/RTH in Rheinland-Pfalz zu stationieren, kaum noch eine Chance für einen eigenen RTH/ITH hier in der strukturell benachteiligten Westpfalz bestand, gab es aber immer wieder Funken, die in manchen Bereichen für ein aufflackerndes Feuer gereicht haben. Es war an uns, dieses Lodern in ein ständiges Feuer umzuwandeln.

rth.info: Warum haben Sie persönlich und die Mitglieder der Bürgerinitiative sich für die Stationierung eines RTH in der Westpfalz stark gemacht? Laut Innenministerium Rheinland-Pfalz (siehe hierzu auch unsere Verweise ins Nachrichten-Archiv am Ende des Interviews) war die Region rund um Kaiserslautern in der Vergangenheit rettungsdienst- und notärztlich doch bestens versorgt, Sie erwähnten es bereits, nicht nur durch bodengebundene Rettungskräfte, sondern auch durch mehrere Luftrettungsmittel an der Peripherie der Westpfalz.

Peter Ziepser:

Dadurch, dass ich viele Jahre in allen Bereichen des bodengebundenen Rettungsdienstes eingesetzt war (ich arbeitete in der Leitstelle Kaiser, fuhr regelmäßig meine Rettungsdienstschichten usw. [rth.info: Zur Person siehe weiter unten]), hatte ich nicht nur dort immer wieder mit Entsetzen feststellen müssen, dass Bedarf besteht. Auch Kollegen und Mitstreiter sahen das genauso. Ein Nachbestellen des Hubschraubers wurde oftmals wegen der langen Anflugzeiten nicht getätigt, stattdessen Transporte, über schlechte Straßen und weite Strecken, durchgeführt. In Sommermonaten waren oft zeitgleich alle verfügbaren RTH im Umkreis im Einsatz oder frühzeitig abgemeldet, weil die Flugdienst- und Ruhezeiten aufgrund vieler Einsätze überschritten waren. Wer als politisch Verantwortlicher jetzt, hier und heute, noch immer sagt, dass kein Bedarf besteht, sollte meines Erachtens zur Rechenschaft gezogen werden. Schlimm genug, dass man seit über zehn Jahren der Bevölkerung in der Westpfalz dieses wichtige, oftmals lebensrettende Rettungsmittel aus verschiedenen Gründen verweigert hat.
Auch auf den Wittlicher RTH “Christoph 10“  konnte die ILS Kaiser zurückgreifen – wenngleich seine Homebase mehr als 70 km entfernt liegt

Auch auf den Wittlicher RTH “Christoph 10“ konnte die ILS Kaiser zurückgreifen – wenngleich seine Homebase mehr als 70 km entfernt liegt

Foto: Jörn Fries

Recht selten sind Primäreinsätze des Luxemburger “Air Rescue 3“ (hier zeigt sich im Sommer 2012 die auffällig beklebte MD 902 der LAR in Ludwigshafen an der BGU)

Recht selten sind Primäreinsätze des Luxemburger “Air Rescue 3“ (hier zeigt sich im Sommer 2012 die auffällig beklebte MD 902 der LAR in Ludwigshafen an der BGU)

Foto: Jörn Fries

Auch der Mannheimer RTH “Christoph 53“ flog und fliegt ab und an in die Westpfalz

Auch der Mannheimer RTH “Christoph 53“ flog und fliegt ab und an in die Westpfalz

Foto: Jörn Fries

Der “Christoph 43“ aus Karlsruhe (hier zu sehen im Frühjahr 2012 bei einer Landung in Pattonville bei Stuttgart) kam früher öfter in die Westpfalz, jetzt eher seltener

Der “Christoph 43“ aus Karlsruhe (hier zu sehen im Frühjahr 2012 bei einer Landung in Pattonville bei Stuttgart) kam früher öfter in die Westpfalz, jetzt eher seltener

Foto: Jörn Fries

rth.info: Schildern Sie bitte kurz, wie es zur Zusammenarbeit mit der Johanniter Luftrettung (JLR) und dem Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern (WKK) kam.

Peter Ziepser:

Diese Frage muss Ihnen mein Geschäftsführer, Herr Lohre, beantworten. Bei dem Urgespräch war ich nicht gegenwärtig.

rth.info: Sie waren selbst als Stationsleiter und HEMS TC mit dem in Sembach stationierten und von der Johanniter Luftrettung betriebenen und vorrangig für innerklinische Transporte zwischen den einzelnen WKK-Standorten in der Region vorgesehenen Intensivtransporthubschrauber (ITH) „Air Rescue Pfalz“ im Einsatz, oftmals zur Abwendung unmittelbarer Lebensgefahr der Ihnen anvertrauten Patientinnen und Patienten. Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit gemacht, und welches Feedback aus der Bevölkerung, aber auch aus den Kliniken und Krankenhäusern der Region sowie den als Hubschrauberärze eingesetzten Notfallmedizinern des WKK haben Sie bekommen?

Peter Ziepser:

Dadurch, dass die Ärzte von der Anästhesie des WKK gestellt wurden, war die Zusammenarbeit in den Schockräumen und darüberhinaus sehr familiär. Ich kann immer wieder nur sagen, dass alle Ärzte die auf dem “Air Rescue Pfalz“ eingesetzt wurden, charakterlich sowie fachlich top waren. Ich habe sie geliebt. Die Bevölkerung hat mit großer Erwartung dem Ergebnis entgegengesehen und von sich aus oft erwähnt, dass die Rettungshubschrauber in Rheinland Pfalz alle vom ADAC betrieben werden und Konkurrenz das Geschäft belebt. Uns wurde sooft Begeisterung entgegenbracht. Teilweise haben wir eine Euphorie gespürt. Der beste Beweis ist die Fanpage.

rth.info: Darauf sollten wir später noch einmal gesondert eingehen. Kommen wir zum professionellen Umgang mit Beteiligten: Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Disponenten der hubschrauberführenden Leitstelle in Kaiserslautern, den B.A.N.I.s (Beratenden Ärzten für Notfall- und Intensivtransporte) in Mainz, den Kollegen der Zentralen Koordinierungsstelle Rheinland-Pfalz (ZKS) in der DRK-Rettungsleitstelle Mainz, dem ärztlichen und nichtärztlichen Personal in den aufnehmenden und abgebenden Kliniken und Krankenhäusern der Region, den Rettungskräften vor Ort, den Mitarbeitenden bei den Krankenkassen als Kostenträger sowie mit den Verantwortlichen im Mainzer Innenministerium in der Zeit, als Sie als Stationsleiter des “Air Rescue Pfalz“ Verantwortung trugen?

Peter Ziepser:

Das Verhältnis zu den Disponenten der Integrierten Leitstelle in Kaiserslautern war vorbildlich. Die Disponenten waren glücklich, dass sie endlich auf Ressourcen zurückgreifen konnten. Das wurde mir am Telefon oft mitgeteilt. Zum BANI möchte ich mich nicht äußern, es soll sich ein jeder selbst davon ein Bild machen.
Mit dem BANI hatte ich selbst ja auch kaum Kontakt, das lief alles über die Integrierte Leitstelle in Kaiserslautern bzw. die Johanniter-Alarmzentrale Luftrettung in Mainz. Die Zusammenarbeit mit den beiden Rettungsleitstellen in Mainz und in Bad Kreuznach waren gut. Anderen Leitstellen in Rheinland-Pfalz und Saarland wurde es ja untersagt, uns einzusetzen. Die Zusammenarbeit mit anderen Kliniken war auch komplikationslos. Ein Verantwortlicher der Krankenkassen hat nicht gut über mich gesprochen, als wir den ITH installiert hatten, obwohl er mich persönlich nicht kennt, darüber war ich geschockt. Das Ministerium hat keinen Kontakt zu mir gesucht.

rth.info: Als bemerkenswertes Phänomen ist die Existenz einer Fanpage auf facebook, Sie erwähnten es schon, für den liebevoll von der stetig größer werdenden Fangemeinschaft “Red Nose“ genannten Hubschrauber noch zu erwähnen. Wie kam es dazu? Welche Rolle spielte das nicht nur für unsere Bundeskanzlerin gänzlich neue Medium (A.M.: “Das Internet ist für uns alle Neuland.“) bei der Etablierung der Luftrettung für die und in der Westpfalz?

Peter Ziepser:

Wir wollten einfach die Bevölkerung mitnehmen und aufzeigen, wo wir überall sind und was von uns geleistet wird. Es ist noch nicht vorbei, es kommen noch viele interessante Beiträge, da bin ich mir sicher.

rth.info: Sie haben jetzt erst einmal Urlaub genommen und wollen ein wenig Abstand von den Ereignissen der letzten vierzehn Tage nehmen. Derweil hat der “Gelbe Engel“ seinen Interimsdienst aufgenommen und fliegt vom ersten Tag an zu Notfällen und führt gelegentlich Sekundärtranporte durch [rth.info 21.09.2019: Inzwischen führt “Christoph 66“ fast ausschließlich Verlegungsflüge – auch und gerade außerhalb seines eigentlichen primären Einsatzgebietes – durch]. Innenstaatssekretär Randolf Stich hat in der Vorwoche die dauerhafte Stationierung eines Luftrettungsmittels in der Westpfalz versprochen. Und auch die Johanniter Luftrettung ist mit ihren ITHs aus Adenau, Gießen und Reichelsheim weiterhin in der Westpfalz aktiv, wenn auch nun weitaus seltener als in den letzten zehn Monaten. Weihnachten ist auch nicht mehr weit entfernt. Deshalb unsere letzte Frage: Haben Sie noch Anregungen und Wünsche, was den Auf- und Ausbau der Luftrettung in der Region betrifft?

Peter Ziepser:

Wie erwähnt, finde ich die Versorgung für schwergewichtige Patienten in der Region wieder schlechter. Oft haben wir als Rettungsdienst-Mitarbeiter nicht gewusst, wie wir zeitkritische Patienten mit mehr als 160 Kilogramm ins Krankenhaus bringen sollten. Hier bleibt ein Bedarf bestehen. Nicht immer standen die Schwerlast-Rettungswagen aus Darmstadt oder Ludwigshafen zur Verfügung. Für die Zukunft wünsche ich mir einen ITH im 24/7/365-Betrieb! Dann wäre die Westpfalz top versorgt! Es fehlt aber zusätzlich hier und da noch eine Rettungswache!
Am Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern ist ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) des Deutschen Roten Kreuzes stationiert (in der Region ist das NEF eher selten zu sehen)

Am Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern ist ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) des Deutschen Roten Kreuzes stationiert (in der Region ist das NEF eher selten zu sehen)

Foto: Jörn Fries

rth.info: Wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen jetzt erst einmal einige schöne und vor allem erholsame Urlaubstage in – wir dürfen es hier verrraten, ja? – südlicheren Gefilden.

Zur Person

Peter Ziepser ist 45 Jahre jung, wie er selbst sagt, von Kind an ein Imsweilerer, er hat drei erwachsene Töchter und ist seit 33 Jahren in der Feuerwehr tätig. Davon war er dreizehn Jahre als Wehrführer seiner Heimatgemeinde tätig. Viele Jahre war er aktives Mitglied beim DRK-Ortsverein Rockenhausen. Zudem hat Ziepser einen Feuerwehrförderverein in Imsweiler gegründet.

Zum Rettungsdienst ist er nach seiner Ausbildung als Werkzeugmechaniker gelangt. Dort durchlief er alle Aus- und Weiterbildungen, die es im Rettungsdienst gibt. Erst Rettungsassistent, dann Notfallsanitäter, qualifizierte er sich durch ein Fernstudium als Leiter Rettungsdienst. In Kaiserslautern arbeitete Ziepser als Disponent, an gleich zwei Rettungsdienstschulen war er als Dozent und Praxisanleiter tätig. Durch diesen Bildungsweg erlangte Ziepser zugleich das Fachabitur.

Dadurch lernte Ziepser seinen Beruf schätzen und lieben, und durch die Weiterbildung zum HEMS TC (Helicopter Emergency Medical System - Technical Crew/Luftrettungsassistent) erfüllte er alle Voraussetzungen, um letztendlich die Station der Johanniter Luftrettung in Sembach zu leiten. Durch seine Bewerbung bei der Johanniter Luftrettung vor drei Jahren hatte er sich im Auswahlverfahren qualifiziert und auf dem Intensivtransporthubschrauber (ITH) “Christoph Mittelhessen“ in Reichelsheim/Wetterau die nötige Erfahrung im Bereich Intensivtransport speziell bei ECMO-Einsätzen gesammelt. Auch auf dem Dual-Use-Hubschrauber “Christoph Gießen“ vertiefte er seine Kenntnisse im speziellen Intensivtransport. Daraufhin bot die Johanniter Luftrettung ihm vor über einem Jahr eine unbefristete Stelle an, bevor er am 22. Oktober 2018 Stationsleiter der neuen Station “Air Rescue Pfalz“ wurde. Peter Ziepser: “Natürlich hat auch meine Funktion als Bürgermeister mir die nötige Erfahrung und das erforderliche Fingerspitzengefühl mitgegeben, um in der Westpfalz, der ich mich sehr verbunden fühle, eine Station zu etablieren und der Bevölkerung einfach das zu geben, was ihr zusteht, nämlich eine bestmögliche medizinische Versorgung im Notfall.“

Seine Hobbys sind seine Töchter, auf die er sehr stolz ist, sowie das Wandern und Joggen in der Natur. Für ein Tier fehle immer, so Ziepser im Gespräch, leider die Zeit.

Peter Ziepser als HEMS TC an seinem Arbeitsplatz (die Aufnahme entstand am Tag der Betriebsaufahme des ITH ‘Air Rescue Pfalz“ am 22. Oktober 2018)

Peter Ziepser als HEMS TC an seinem Arbeitsplatz (die Aufnahme entstand am Tag der Betriebsaufahme des ITH ‘Air Rescue Pfalz“ am 22. Oktober 2018)

Foto: privat

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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