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„Aslak“ - Ein Veteran am Polarkreis

04.10.2023

Scheinbar unendliche Weiten, unberührte Natur, Abgeschiedenheit, kaum Menschen. All dies verbindet man mit finnisch Lappland, oberhalb des nördlichen Polarkreis. Was jedes Jahr fast zwei Millionen Touristen in die Region lockt, stellt die Rettungskräfte vor Ort jedoch mitunter vor große Herausforderungen.

Wie fing es an?

Bereits ab den 1960er Jahren wurden mehr oder weniger regelmäßig Hubschrauber zur Unterstützung bei Rettungseinsätzen in der Region herangezogen. Um eine bessere Verfügbarkeit zu gewährleisten gründete sich 1998 „Lapin Pelastushelikopterin Tuki ry“, übersetzt in etwa der Verein der Lappländischen Rettungshubschrauber. Am Flugplatz des 6000-Einwohner-Städtchens Sodankylä, etwa im Zentrum der Landschaft (früher Provinz) Lappland gelegen, hat seitdem der vom Verein betriebene Rettungshubschrauber „Aslak“ sein zu Hause. In einem Hangar am Ende des Rollfeldes ist die Firma Heliflite Oy beheimatet, welche seit Anbeginn den Flugbetrieb des Rettungshubschraubers, einschließlich des Piloten, sicherstellt.

Von Sodankylä aus wurden von Beginn an auch Rettungseinsätze für den Rettungsdienst Lappland, vor allem aber „reguläre“ HEMS-Einsätze im Auftrag des Lapland Hospital District geflogen.

Im Zuge der Neuausrichtung des Luftrettungsdienstes in Finnland wurde letztere Aufgabe ab 2012 aber vorrangig dem neu implementierten Hubschrauber „FinnHEMS 51“ aus Lapplands Hauptstadt Rovaniemi übertragen. Letztendlich wurde der Verein im Jahr 2013 offiziell vom Rettungsdienst Lapplands mit der Bereitstellung eines Hubschraubers in Sodankylä für Such- und Rettungseinsätze in Lappland beauftragt.

Der Name „Aslak“ für Lapplands Rettungshubschrauber wurde aus den Vorschlägen im Rahmen eines Ideenwettbewerbs ausgewählt

Der Name „Aslak“ für Lapplands Rettungshubschrauber wurde aus den Vorschlägen im Rahmen eines Ideenwettbewerbs ausgewählt

Foto: Johannes Herrmann

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Der Hubschrauber

Im Laufe der Jahre versah eine Reihe unterschiedlicher Hubschrauber seinen Dienst für Aslak. Alles begann mit der AS355 OH-HAQ. Es folgten ein Bell 206L Long Ranger (OH-HOH), eine AS350B (OH-HOI) sowie eine AS365N2 Dauphin 2 (OH-HUM).

Mit der bereits angesprochenen Übernahme der HEMS-Gestellung durch FinnHEMS wurde der Betrieb der größeren Dauphin schlicht und einfach zu teuer und nicht mehr notwendig, so dass sie 2017 verkauft wurde und bis zu ihrer Stilllegung als D-HBUB für die Johanniter Luftrettung in Deutschland weiterhin Rettungseinsätze flog.

An ihre Stelle trat eine (inzwischen) Rarität, welche hierzulande schon vor vielen Jahren aus der Luftrettung verabschiedet wurde. Die MBB BO105 mit der Seriennummer S-546 und dem Kennzeichen OH-HCC stammt aus dem Jahr 1981. Nach einer Karriere bei der Fliegereinheit der Polizei in Dubai kam sie 1997 nach einem Upgrade auf den CBS-4-Standard nach Finnland. Hier wurde sie zunächst, ausgestattet mit Winde, Floats und SX-16-Suchscheinwerfer, als Rettungshubschrauber in Oulu stationiert, bis sie letztendlich als Aslak in Dienst ging. Hierfür wurde dann ein Zusatztank installiert. Dieser steigert die maximale Flugdauer auf etwa drei Stunden, was eine effizientere Erfüllung der Einsätze in den Weiten Lapplands ermöglicht. Im Bedarfsfall wird die BO nun durch die AS350B2 OH-HCG von Heliflite als Ersatzhubschrauber vertreten.

Das Cockpit der BO105 enthält noch viele originale Instrumente, wurde aber auch um moderne Technik ergänzt

Das Cockpit der BO105 enthält noch viele originale Instrumente, wurde aber auch um moderne Technik ergänzt

Foto: Johannes Herrmann

Der Auftrag

Heute besteht die Hauptaufgabe von Aslak in Such- und Rettungseinsätzen, mit welchen die Besatzungen entweder von der Notrufzentrale des Rettungsdienstes (Rettungs-) oder der zuständigen Polizeibehörde (Suchflüge) beauftragt werden.
Dabei ist der Hubschrauber neben dem Piloten im Normalfall mit einem Rettungsspezialisten besetzt. Diese Rettungsspezialisten versehen ihren Dienst als Feuerwehrmänner auf der Feuerwache des Rettungsdienst Lappland in Sodankylä und eilen im Einsatzfall zum Flugplatz, um dort den Hubschrauber zu besetzen. Sie sind mindestens als Basic-level Paramedics medizinisch ausgebildet und für ihre fliegerische Tätigkeit zusätzlich als TC-HEMS qualifiziert.

Ein Blick in den hinteren Teil der Kabine mit der medizinischen Ausstattung

Ein Blick in den hinteren Teil der Kabine mit der medizinischen Ausstattung

Foto: Johannes Herrmann

Klassische Einsätze für Aslak sind beispielsweise die Suche nach vermissten Wanderern, Fischern, Jägern usw., welche bodengebunden weitaus zeit- und ressourcenintensiver wäre. Diese kann mittels Fernglas oder auch einer handgeführten Wärmebildkamera unterstütz werden. Wird die Person gefunden und benötigt Hilfe, dann wird sie vom Hubschrauber aus der Wildnis ausgeflogen. Aufgrund der kompakten Abmessungen der BO finden die Piloten in nahezu allen Fällen eine Landemöglichkeit in Akzeptabler Entfernung zum eigentlichen Einsatzort.
Sollte die Person verletzt sein, ist stets eine medizinische Grundausstattung für die Erstversorgung an Bord. Diese beinhaltet u.a. eine Trage, einen Notfallrucksack, eine Lifepak-Monitoringeinheit, Sauerstoff und als Besonderheit ein Vorrat an extragroßen „Taschenwärmern“, da selbst im Sommer die vermissten Personen beim Auffinden nicht selten bereits unterkühlt sind.

Bei minderschweren Verletzungen erfolgt meist eine Behandlung in einem Gesundheitszentrum in den größeren Ortschaften der Region. Oftmals wird der Patient direkt mit zurück zur Heimatbasis genommen und dort an einen Rettungswagen übergeben, welcher ihn die letzten Kilometer nach Sodankylä transportiert.
Handelt es sich um einen schwerer verletzten Patienten, wird dieser bei Notwendigkeit vom Hubschrauber natürlich auch in ein Krankenhaus höherer Versorgungsstufe transportiert. In fast allen Fällen ist dies das Krankenhaus in Rovaniemi. Sofern bei der Alarmierung bereits genauere Informationen über den Gesundheitszustand vorliegen, kann an der Basis ggf. auch noch zusätzliches medizinisches Material zugeladen oder die Crew z.B. durch Advanced-level Paramedics (Nurse) erweitert werden. So können im Bedarfsfall trotzdem nach wie vor reguläre (HEMS-)Luftrettungseinsätze übernommen werden. Gerade im Norden der Region hätte der etwa 100 km südlicher stationierte Hubschrauber von FinnHEMS, welcher übrigens ebenfalls nicht arztbesetzt ist, schlicht einen zu langen Anflugweg.

Ferner ist es möglich, dass Aslak Rettungsschwimmer für Wasserrettungseinsätze aufnimmt. Der Hubschrauber als zumeist ersteintreffendes Rettungsmittel kann diese dann entweder am Ufer absetzen, oder sie springen, sofern das Gewässer dies gefahrlos zulässt, direkt ins Wasser ab. Zusätzlich können vom Hubschrauber aus auch eingesetzte Rettungsboote koordiniert und zum ggf. von der Besatzung aufgefundenen Opfer gelotst werden.

Aslak vor seinem Hangar am Flugplatz Sodankylä

Aslak vor seinem Hangar am Flugplatz Sodankylä

Foto: Johannes Herrmann

Eine Besonderheit ergibt sich noch bei Einsätzen, bei denen der Hubschrauber gemeinsam mit der Feuerwehr alarmiert wird, beispielsweise bei Verkehrsunfällen. Dann fliegt der Pilot zunächst alleine zur Einsatzstelle, der Rettungsspezialist rückt regulär als Feuerwehrmann aus und steigt dann für den Patiententransport vor Ort in den Hubschrauber um.

Das Wappen von Aslak prangt auf den seitlichen Schiebetüren des Hubschraubers

Das Wappen von Aslak prangt auf den seitlichen Schiebetüren des Hubschraubers

Foto: Johannes Herrmann

Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit der Feuerwehr lag bei den Beteiligten natürlich auch die Idee zur Nutzung des Hubschraubers für deren Zwecke auf der Hand. So kann bei Vegetationsbränden in unzugänglichem Gelände durch die schnelle Lokalisierung der Brandstelle aus der Luft sowie den Transport von Feuerwehrkräften und Material unterstützt werden, oder Aslak nimmt dank eines vorgehalten 500 Liter fassenden Bambi Bucket selbst direkt an der Brandbekämpfung teil.

Jährlich leistet Aslak im Schnitt etwas über 100 Einsätze ab. Diese werden fast alle zur Tagzeit geflogen. SAR-Einsätze zur Nachtzeit wären, sofern ein Pilot zur Verfügung steht, zwar grundsätzlich möglich, eine Suche nach Vermissten in der Wildnis beispielsweise ist mit den vorhandenen Mitteln in der Dunkelheit aber naturgemäß weit weniger erfolgversprechend. Leider erlaubt das Budget des Vereins keine teure Unterstützungstechnik wie etwa Restlichtverstärkerbrillen, so dass eine Landung in unbekanntem Gelände in diesen Fällen nicht möglich ist. Die HEMS-Genehmigung von Heliflite deckt auch nur die Tagzeit ab, somit scheiden nächtliche HEMS-Einsätze ohnehin aus. Hierbei sei aber erwähnt, dass nachts, genauso wie auch bei größeren Einsatzlagen, welche zusätzliche Hubschrauber erforderlich machen, der Rettungsdienst auch auf die Hilfe der 24/7 besetzten Fliegereinheit des finnischen Grenzschutzes in Rovaniemi zurückgreifen kann.

Im Laderaum befindet sich ein 200 Liter fassender Zusatztank, um die großen Entfernungen in Lappland überbrücken zu können

Im Laderaum befindet sich ein 200 Liter fassender Zusatztank, um die großen Entfernungen in Lappland überbrücken zu können

Foto: Johannes Herrmann

Bei allem Engagement der Beteiligten stellt sich letztendlich aber natürlich die Frage nach der Finanzierung des Betriebs von Aslak. Der Verein kann für einige Einsätze Kosten in Rechnung stellen, z.B. beim Innenministerium für über die Polizei initiierte Sucheinsätze. Ebenso verhält es sich bei der jeweils anfordernden Institution für Einsätze außerhalb des eigentlichen Einsatzgebietes, wie beispielsweise zur Unterstützung bei großen Waldbränden außerhalb Lapplands. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Betrieb hauptsächlich über Spenden finanziert werden muss. Diese kommen von Privatpersonen, Firmen, aber auch einzelnen Kommunen im Einsatzgebiet.
Solange die Versorgung mit Ersatzteilen gesichert ist wird die rote BO 105 daher nicht zuletzt aus Kostengründen noch viele Jahre über Lapplands Weiten ihre Einsätze fliegen.

Seit 42 Jahren hebt die OH-HCC inzwischen ab, und es werden wohl noch einige dazu kommen

Seit 42 Jahren hebt die OH-HCC inzwischen ab, und es werden wohl noch einige dazu kommen

Foto: Johannes Herrmann

Autor

Wir danken:
unserem Gastautor Johannes Herrmann, der uns seit vielen Jahren mit Fotoreportagen aus allen Teilen dieser Welt versorgt. Danke, Johannes!

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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