50 Jahre zivile Luftrettung in Deutschland (Teil 9b) – Rechtsgrundlagen und Sonstige in Niedersachsen
12.12.2021
Mit der Indienststellung des ersten zivilen und ständig mit einem Notarzt besetzten Rettungshubschraubers (RTH) „Christoph 1“ in München schlug am 1. November 1970 die Geburtsstunde der öffentlich-rechtlichen Luftrettung in der Bundesrepublik Deutschland. rth.info nimmt den 50. Geburtstag der Luftrettung in Deutschland zum Anlass, die „Hubschrauberrettung“ in der Bundesrepublik auf die historische Entwicklung und den gegenwärtigen Stand in den einzelnen Bundesländern zu fokussieren. Damit sollen auch die immensen Leistungen und auch die mit einem stetigen Wandel verbundenen großen Herausforderungen sowie die Bedeutung der Luftrettung in einem europäischen und globalen System der schnellen Hilfe aus der Luftrettung näher beleuchtet werden.
Dies geschieht mit einer Darstellung der Luftrettung in den 16 Bundesländern Deutschlands in alphabetischer Reihenfolge. Heute berichten wir über die Rechtsgrundlagen der “Hubschrauberrettung“ im Land Niedersachsen sowie die Ergänzung der öffentlich-rechtlichen Luftrettung.
Seit fast 50 Jahren rettet "Christoph 4" in der Region Hannover
Foto: Ole Ross
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Rechtsgrundlagen der Luftrettung
Im Niedersächsischen Rettungsdienstgesetz (NRettDG) in der Fassung vom 2. Oktober 2007, zuletzt geändert durch § 11 Art. 7 des Gesetzes vom 16.05.2018 ist im Zweiten Teil „Rettungsdienst“, 1. Abschnitt „Aufgabe, Aufbau und Durchführung“, § 2 „Sicherstellungsauftrag“ festgehalten, dass dieser durch den bodengebundenen Rettungsdienst einschließlich der Berg- und Wasserrettung sowie die Luftrettung zu erfolgen hat. Aus dem § 3 geht hervor, dass für die Luftrettung das Land der Träger ist. Der § 6 regelt im Absatz 6 den Einsatz von Luftrettungsmitteln, für die die Rettungsleitstelle des Stationierungsortes (Anmerkung: Hubschrauber führende Leitstelle) zuständig ist, soweit nicht die KoST zuständig ist. Wird der Einsatz eines RTH durch eine andere Leitstelle geregelt, so ist die Standortleitstelle des betreffenden RTH ständig über den Aufenthaltsort zu unterrichten. Der § 6a beinhaltet die zentrale Koordinierung der Luftrettung für Intensivtransporte durch die KoST. Im § 9 ist festgehalten, dass in der Luftrettung RTH und ITH sowie sonstige geeignete Luftfahrzeuge einzusetzen sind. Der § 12 beinhaltet den Schutz von Bezeichnungen, darunter auch „Rettungshubschrauber“ und „Intensivtransporthubschrauber“.
Im Dritten Teil wird der qualifizierte Krankentransport außerhalb des Rettungsdienstes geregelt. Aus dem Abschnitt 1 geht hervor, dass eine Genehmigungspflicht durch die zuständige Behörde besteht. Nach § 20 NRettG „Genehmigungsbehörde“ ist für die Genehmigung des Krankentransportes mit Luftfahrzeugen das für den Rettungsdienst zuständige Ministerium oder die von ihm bestimmte Stelle zuständig. Im Abschnitt 3, § 29 Luftrettung, ist im Absatz 1 festgehalten, dass der Antrag stellende Betreiber über eine Genehmigung nach § 20 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) verfügen muss. Der Absatz 2 beinhaltet, dass für eine Genehmigung des Krankentransportes ein geeignetes Luftfahrzeug, fachlich qualifiziertes und gesundes Personal vorgehalten werden sowie die Ausstattung dem Stand der Technik entsprechen muss. Absatz 3 legt fest, dass die Voraussetzungen für den Krankentransport entsprechend § 22 des Gesetzes erfüllt sein müssen. Im Absatz 4 ist letztlich festgehalten, dass bei erlöschen der Genehmigung nach § 20 LuftVG auch gleichzeitig die Genehmigung für den Krankentransport des Landes erlischt.
Für die Rettung auf dem Wattenmeer ist "Christoph 26" mit einer Winde ausgestattet
Foto: Ole Meisen
In Südniedersachsen rettet seit über 40 Jahren "Christoph 44"
Foto: Patrick Permien
Gegenwärtiger Stand
In Niedersachsen sind derzeit fünf RTH in Göttingen, Hannover, Sanderbusch, Uelzen und Wolfenbüttel sowie ein ITH in 24-Stunden-Bereitschaft in Hannover und ein Ambulanzhubschrauber (AHS) in Emden zum Krankentransport von Nicht-Notfallpatienten stationiert. Darüber hinaus erfolgt eine Unterstützung durch Luftrettungsmittel aus benachbarten Bundesländern und SAR-Hubschrauber der Bundeswehr. Durch die geographische Lage an der deutschen Nordsee-Küste betreiben auch die DRF Luftrettung und die WIKING Helikopter Service GmbH Einsatzhubschrauber zur Offshore-Rettung, die bei besonderen Einsatzlagen sowie Großschadens- bzw. Katastrophenlagen auch ergänzend bzw. subsidiär eingesetzt werden können.
Der ITH "Christoph Niedersachsen" gehört zu den modernsten Luftrettungsmitteln Deutschlands: eingesetzt wird eine H145 mit Fünfblattrotor (BK117 D3)
Foto: Harald Rieger
Länderübergreiend kommt in Niedersachsen auch der in Bremen stationierte RTH "Christoph 6" zum Einsatz
Foto: Ole Meisen
Ergänzung der öffentlich-rechtlichen Luftrettung
Im Bundesland Niedersachsen ist auch das Marinefliegergeschwader 5 (MFG 5) beim Marinefliegerkommando Nordholz bei Cuxhaven beheimatet, welches der truppenstellende Verband für die beiden SAR-Kommandos der Deutschen Marine ist. In diesem Rahmen stellt das MGF 5 die SAR-Hubschrauber derzeit noch vom Muster Westland Sea King Mk. 41, die in den nächsten Jahren durch den NH90 NTH (Naval Transport Helicopter) „Sea Lion“ in SAR-Konfiguartion, u.a. auch mit einem optimierten notfallmedizinischen Rüstsatz, abgelöst werden wird. In besonderen Fällen kann das MFG 5 im Rahmen der technischen Amtshilfe und der Katastrophenhilfe auch weitere Einsatzmaschinen zur Verfügung stellen.
Die Deutsche Marine hält weiterhin das bewährte Muster "Sea King" als SAR-Hubschrauber vor
Foto: Lukas R.
Die Ablösung steht allerding schon bereit: der NH90 NFH "Sea Lion"
Foto: Patrick Heinz
Die Northern HeliCopter GmbH, seit dem 1. Januar 2019 eine 100%ige Tochter der DRF Luftrettung, kann neben zwei Offshore-Einsatzhubschraubern in zwei benachbarten Bundesländern (Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein) optional einen weiteren Offshore-RTH am Firmensitz in Emden bereitstellen. Dort wird auch ein Ambulanzhubschrauber des Typs BK 117 B-2 (D-HJJJ) mit dem Funkrufnamen „Rettung Wittmund 79-99-1“ eingesetzt, um vornehmlich Krankentransporte von den vorgelagerten ostfriesischen Inseln zum Festland durchzuführen. Infolge der Corona-Pandemie kann der AHS auch als „Infektionshubschrauber“ zum Transport von COVID-19-Patienten eingesetzt werden.
Am Flugplatz Emden hält NHC eine BK 117 als Ambulanzhubschrauber vor
Foto: Ole Meisen
Die auf dem JadeWeserAirport in Wilhelmshaven-Mariensiel ansässige Firma WIKING Helikopter Service GmbH kann optional bzw. auf Anforderung zusätzlich einen notfallmedizinisch ausgestatteten Offshore-Einsatzhubschrauber mit Rettungswinde bereitstellen. Darüber hinaus stellt WIKING die Luftunterstützung für das Havariekommando und die Ausbildung der Luftlande-Rettungskräfte des Bundes sowie den Küstenschutz durch Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Küstenschutz bei Schiffshavarien sicher. Damit stehen an der deutschen Nordseeküste zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten durch Militär- und Einsatzhubschrauber außerhalb des öffentlich-rechtlichen Luftrettungsdienstes zur Verfügung.
Auch eine EC 155 B1 (H155) steht dort für Offshore-Rettungseinsätze bereit
Foto: Ole Meisen
Am JadeWeserAirport hält Wiking eine H145 für Offshore-Rettungseinsätze vor
Foto: Ole Meisen