GRH der Bundeswehr: Was wurde eigentlich aus den Großraum-Rettungshubschraubern?
05.10.2024
In den zurückliegenden Jahren hat die Bundeswehr ihre komplette Flotte des Such- und Rettungsdienstes (SAR) mit modernen Hubschraubern ausgestattet. Dies endete kürzlich mit der Einführung des “Sea Lion“ bei der Marine. Stellte sich uns die Frage: Was wurde denn eigentlich aus den Großraum-Rettungshubschraubern der Bundeswehr? Diese gehörten nie zum SAR-Dienst, stellten jedoch ein militärisches Einsatzmittel dar, das auch bei größeren Unglücksfällen im zivilen Bereich großen Wert hatte. Es handelte sich um die großen, schweren Transporthubschrauber des Typs CH-53 G, ausgestattet mit einem medizinischen Rüstsatz. Recherchen im Internet blieben ohne konkrete Ergebnisse. Eine Nachforschung.
CH 53 der Bundeswehr im Flug bei einer Übung
Foto: Bundeswehr/Herholt via wikimedia commons – https://tinyurl.com/ch53picture – Link zur Lizenz: CC-BY-2.0
- Anzeige -
Die CH 53 ist mit 22 m Rotordurchmesser ein gewaltiger Hubschrauber. Zum Vergleich: Die Hauptrotoren der BO 105 und BK 117 bringen es auf etwa 10-11 m Durchmesser. Trotz dieser beeindruckenden Dimension werden sie militärisch als mittlerer Transporthubschrauber (MTH) bezeichnet. Gefertigt wurden die Exemplare der Bundeswehr überwiegend in Deutschland unter Lizenz des US-Herstellers Sikorsky. CH steht dabei für Cargo Helicopter.
CH 53 der Bundeswehr
Foto: User “Airwolfhound“, via flickr – https://flic.kr/p/8o1Dhk – Link zur Lizenz: CC-BY-SA-2.0
Die Einführung des GRH in den 1980ern
Das Konzept, diesen Maschinentyp als Großraumrettungshubschrauber (GRH) einzusetzen, wurde in den 1980er Jahren realisiert. Der GRH konnte 12 Patienten liegend transportieren. Hierbei ließ sich eine bessere medizinische Betreuung der Patienten gewährleisten als bei dem standardmäßig für die Bauart angebotenen Rüstsatz für das Einschieben von Krankentragen mit bis zu 24 vorversorgten Patienten. “Vater“ des GRH war nach Bundeswehr-Angaben der Fliegerarzt OFA Dr. Schrödel in Mendig.
“Hierbei war der Gedanke, bei Katastrophenereignissen mit vielen Verletzten innerhalb Deutschlands, mit einem Flug mehrere stabile Patienten in unterschiedlichste Krankenhäuser fliegen zu können. Um dies realisieren zu können, wurde ein medizinischer Satz aus unterschiedlichsten Medizingeräten, inklusive einer bis dato nicht vorhandenen neu zu konstruierenden Wandhalterung für die CH-53 und dazu benötigter Medikationen zusammengestellt, die auf den drei Heeresfliegerstandorten Rheine, Mendig und Laupheim zum Einsatz kamen. Hierzu wurden an jedem der drei Standorte jeweils eine CH-53 in Bereitschaft gehalten, die eine Reaktionszeit von 90 Minuten hatten.
CH 53 in Ulm, ausgestellt am Bundeswehrkrankenhaus
Foto: Patrick Permien
Aus Sicht des militärischen SAR-Dienstes handelte es sich bei den GRH um SAR-Mittel zweiten Grades, da sie geeignete Luftfahrzeuge und Einsatzmittel der Bundeswehr darstellten, die im Bedarfsfall die Suche nach vermissten oder verunfallten Luftfahrzeugen und die Rettung von Insassen unterstützen konnten.
Reduzierung der Standorte und Verfügbarkeit
Die Bundeswehr gab den Heeresflieger-Standort Mendig in der Osteifel im März 2007 auf. Fortan gab es noch eine GRH-Bereitschaft – immer im Wechsel zwischen den verbliebenen beiden Standorten Rheine (im Münsterland, unweit der niederländischen Grenze) und Laupheim (im Landkreis Biberach, unweit von Ulm). Das Heer erhöhte die Reaktionszeit in dem Zuge auf 12 bis 24 Stunden, sodass keine CH 53 permanent als GRH vorgehalten werden musste. Zwischen April 2002 und Dezember 2020 waren zu Höchstzeiten bis zu neun CH-53 in Afghanistan stationiert, wodurch den MTH-Regimentern in Deutschland spürbar weniger Maschinen einsatzklar zur Verfügung standen.
CH 53 in Hamburg am Bundeswehrkrankenhaus, im Jahr 2006 anlässlich der Umstellung vom rein militärisch gestellten Rettungshubschrauber “SAR 71“ auf den zivil-militärischen “Christoph 29“
Foto: Patrick Permien
Übernahme der CH-53-Flotte durch die Luftwaffe
Im Zuge der Bundeswehrreform, die einen “Fähigkeitstransfer Hubschrauber“ vorsah, wechselte alle CH-53 im Jahr 2012 in die Luftwaffe. Hingegen erhielten die Heeresflieger die Zuständigkeit für die NH 90 und die Bell UH-1D.
MEDEVAC-Rüstsätze
Das bisherige GRH-Konzept des Heeres hat die Luftwaffe nach diesem Fähigkeitstransfer nicht fortgeführt. Das Material wurde teilweise in den neu konfigurierten Hubschraubersatz MEDEVAC integriert, schreibt uns die Bundeswehr dazu. Und erklärt weiter:
“Die CH-53 Flotte der Luftwaffe sowie hauptsächlich die NH-90-Regimenter der Heeresflieger, besitzen seitdem den Rüstsatz MEDEVAC für ihre Hubschrauber, die in Deutschland keiner aktiven Bereitschaftszeiten unterliegen. [...] Der Einbau des Rüstsatzes kann auf Anordnung der jeweiligen Landestruppenkommandos über das Patient Evacuation Coordination Centre (PECC) in Koblenz bereits im Vorgriff eines geplanten Einsatzes erfolgen, oder bei schneller Alarmierung in kürzester Zeit durchgeführt werden. Diese Einrüstung bedarf, inklusive der technischen Vorbereitung des Luftfahrzeuges, circa 1,5 bis 2 Stunden. Im Gegensatz zum alten GRH, bei dem 12 Patienten als Sekundärtransport geflogen werden konnten, können diese 12 Patienten im Notfall nun auch als Primärtransport aufgenommen werden. Bei Aktivierung einer entsprechenden Patientenkategorisierung (z. B. KAT „A“) sind sie mit entsprechendem Rüstzustand auch mit maximal 2 Intensivplätzen sowie einem sitzenden Patienten nutzbar.“
Je nach Indikation seien die Hubschrauber dann umfangreich mit medizinischem Fachpersonal besetzt. In der Maximalvariante seien dies:
- Ein Intensivarzt
- Ein Rettungsarzt
- Zwei Notfallsanitäter
- Ein Intensivkrankenpfleger
CH 53 unter Regie der Luftwaffe
Foto: Felix Kälin, via flickr – https://flic.kr/p/2nQSA3z – Link zur Lizenz: CC-BY-NC-ND-2.0
Bei militärischen Auslandseinsätzen führen die Hubschrauber MEDEVAC-Einsätze durch um verwundete Soldaten aus gefährdeten oder feindlich besetzten Gebieten auszufliegen. Hierbei werde mit einem Intensivplatz geflogen und mindestens ein Rettungsarzt sowie ein Rettungsassistent benötigt. Der oder die MEDEVAC-Hubschrauber mitsamt Besatzung werden bei entsprechenden Auslandseinsätzen in Einsatzbereitschaft gehalten. Das fliegerische Personal richtet sich nach der entsprechenden Einsatzkategorie und umfasst Piloten, Bordtechniker, Ladungsmeister sowie im Ausland auch Bordsicherungssoldaten.
Nachfolge für die CH 53
Und die CH 53? Sie stehen – nun eben seit Jahren durch die Luftwaffe geflogen und betreut – weiterhin u.a. in Laupheim beim Hubschraubergeschwader (HSG) 64.
“Die meisten der Männer vom technischen Personal in der Halle waren noch gar nicht geboren, als diese Maschinen der Bundeswehr übergeben wurden. Und doch begeistert die robuste Technik von einst bis heute.“
So beschreibt es die Bundeswehr auf ihrer Webseite. Die Übergabe der ersten CH 53 an das Heer erfolgte 1972. Seither wurden sie etliche Male modifiziert und modernisiert. Bis etwa 2030 sollen sie noch für Deutschland fliegen. Der Klarstand ist nicht gut, die Ersatzteilbeschaffung ist schwierig, viele Teile werden gar nicht mehr produziert. Das gibt auch die Bundeswehr unumwunden zu. Im zivilen Bereich aushelfen können die CH 53 aber immer noch. Etwa bei Waldbränden mit Löschwasserbehältern, oder bei Überschwemmungen – im Fluteinsatz zur Deichsicherung. Beerben wird sie, so das Bundesministerium der Verteidigung, der CH-47F Chinook-Helikopter des US-Herstellers Boeing-Vertol. Sie wurden laut Luftwaffe im Juli 2023 in der Variante Block II SR AAR bestellt; mit dem Zulauf der ersten Hubschrauber sei im Jahr 2027 zu rechnen. Finanziert wird die Großbeschaffung aus dem Sondervermögen der Bundeswehr, das aus der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen "Zeitenwende" folgte. Die Chinook wird seit Jahrzehnten produziert, die weltweite Gesamtstückzahl ist vierstellig. Es existiert eine große Vielzahl an Varianten, sodass es sich um einen modernen und weit verbreiteten Hubschraubertyp handelt, auch wenn die Silhouette mit den zwei Hauptrotoren bereits seit Jahrzehnten bekannt ist.
Boeing CH-47F Chinook der US Army
Foto: User "Acroterion", via wikimedia commons – https://tinyurl.com/ch47-chinook – Link zur Lizenz: CC-BY-SA-4.0
Autor
- Quelle(n)
- Bundeswehr
- Wir danken:
- Presse- und Informationszentrum der Luftwaffe