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20 Jahre Christoph 60: Von der R 22 zur EC 135

01.05.2013

Heute auf den Tag genau vor 20 Jahren, am 1. Mai 1993, begann in der südthüringischen Stadt Suhl mit der Stationierung eines so genannten “Notarzteinsatzhubschraubers“ (NEH) ein neues Kapitel in der bundesdeutschen Luftrettung. Die eingesetzte Maschine, eine zweisitzige Robinson R 22 der Firma Heli-Flight mit dem BOS-Funkrufnamen “Christoph 60“ stellte eine Besonderheit dar, hatte sie neben dem Piloten doch nur einen als Notarzt fortgebildeten Arzt an Bord. Der von den Rettungs- (RTH) und Intensivtransporthubschraubern (ITH) her bekannte “dritte Mann an Bord“, ein Rettungsassistent bzw. HEMS Crew Member, fehlte indes. Aufgabe des NEH war es denn auch nur, den Notarzt so schnell wie möglich zum Notfallort zu bringen. War anschließend ein Transport notwendig, wurde der Patient in einen Rettungswagen (RTW) verbracht oder ein weiter entfernt stationierter RTH oder SAR-Hubschrauber angefordert.

Stellte vom 1. Mai bis 31. Dezember 1993 die Luftrettung im südthüringischen Raum sicher: der NEH vom Typ Robinson R 22 (hier die D-HTAK)

Stellte vom 1. Mai bis 31. Dezember 1993 die Luftrettung im südthüringischen Raum sicher: der NEH vom Typ Robinson R 22 (hier die D-HTAK)

Foto: Archiv Firma Heli-Flight GmbH & Co. KG

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Bereits am 12. Februar 1993 vermeldete die “Thüringische Landeszeitung“ (TLZ) stolz: “Das Luftrettungsnetz soll dichter werden. Rettungshubschrauber für Jena und Suhl geplant.“ Zwar müssten die Landeplätze in Erfurt, Jena und auch Suhl noch gebaut werden, aber “ein privater Träger“ siedele am damals so genannten Schwerpunktkrankenhaus Suhl einen Rettungshubschrauber an. Gemeint war allerdings ein Notarzthubschrauber (NEH). Dies hatten am 11. Februar 1993 die Mitglieder des für das Rettungswesen im Land Thüringen zuständigen Landesbeirats auf Vorschlag des Innenministeriums so bestimmt. Die Stationierung des nach Nordhausen (RTH “Christoph 37“), Erfurt (“SAR 89“) und Jena (“SAR 77“/“Christoph 70“, allerdings erst 1994 in Betrieb gegangen) vierten Rettungshelis in Thüringen erfolgte im Rahmen des vom Erfurter Innenministerium angestrebten Aufbaus eines flächendeckenden Luftrettungsnetzes und sei “ein erster Schritt zur Neuordnung des Rettungswesens im Land“, berichtete die TLZ weiter.

Das “Freie Wort“ (Suhl) konnte wenig später, am 16. März 1993, vermelden, dass ein “Notarzt-Hubschrauber“ bereits ab Mitte Mai am Suhler Klinikum stationiert werde. “Als Zweisitzer ausgelegt, könne er vor allem in der tourismusstarken Sommersaison als Unterstützung des bisherigen Rettungswesens eingesetzt werden. Gerade in der bergigen Landschaft des Thüringer Waldes mit ihren für Einsatzfahrzeuge längeren Wegen gestatte er eine wesentliche Verkürzung der Hilfsfristen.“ Allerdings sei der NEH-Einsatz nur eine “Zwischenlösung“, da man hoffe, bereits im April, spätestens im Mai 1993 “die Ausschreibung für den künftigen regulären Suhler Rettungshubschrauber starten zu können.“ Zusätzliche Mittel des Bundes würden dessen Einrichtung - wie auch jene des Jenaer RTHs - möglich machen.

Am 1. Mai wurde schließlich eine Robinson R 22 der Firma Heli-Flight aus dem hessischen Reichelsheim am Klinikum Suhl stationiert. Zu seinen Aufgaben zählten laut örtlicher Presse vorwiegend die schnelle Zuführung eines Notarztes zur “Erstversorgung von Schwerstverletzten, aber auch Transporte von Blutkonserven, Medikamenten und medizinischem Gerät“, wie die Ausgabe Suhl von “Der Markt Südthüringen“ am 6. Mai 1993 schrieb. Täglich von 7 Uhr bis Sonnenuntergang standen Notarzt und Pilot in Bereitschaft.

Rund 80 Einsätze flog der NEH in den ersten zwei Monaten, als er am 10. Juli 1993 beim Landeanflug auf einer Wiese nahe Gehlberg von einer Windböe erfasst wurde und zur Seite kippte. Während der Pilot unverletzt blieb, brach sich der mitfliegende Notarzt dabei sein Schlüsselbein. Es entstand ein Sachschaden von rund 200.000 D-Mark, wie das “Freie Wort“ am 12. Juli 1993 berichtete. Bereits einen Tag später wurde am Klinikum Suhl ein neuer NEH stationiert, so dass die volle Einsatzbereitschaft wiederhergestellt werden konnte. Die beschädigte Maschine wurde zur Heli-Flight-Werkstatt nach Reichelsheim verbracht, um dort repariert zu werden. Am 3. August vermeldete das “Freie Wort“, dass Suhl schon in Kürze Standort eines Rettungshubschraubers werde, “mit dem auch der Verletztentransport möglich sein wird“. Darauf hätten sich bereits Ende Juni (!) die Landräte der Kreise und Oberbürgermeister der kreisfreien Städte Thüringens sowie Innenminister Franz Schuster geeinigt. Sein Einsatz in Suhl erfolge, “sobald seine (nächtliche) Übernachtungsmöglichkeit geklärt ist“. Aus heutiger Sicht kann das nur acht Monate laufende Projekt mit dem Suhler NEH trotz aller widrigen Umstände als gelungen angesehen werden, ermöglichte doch erst die seinerzeitige Stationierung des NEH am Klinikum Suhl den Auf- und Ausbau der Station “Christoph 60“ zu einem vollwertigen Luftrettungszentrum.

Am 1. Januar 1994 löste die BO 105 der DRF e. V. die Robinson R 22 ab (hier die D-HLLL)

Am 1. Januar 1994 löste die BO 105 der DRF e. V. die Robinson R 22 ab (hier die D-HLLL)

Foto: Olaf Tampier

Am 1. Januar 1994 übernahm die Deutsche Rettungsflugwacht e. V. (DRF) den Betrieb des Luftrettungszentrums “Christoph 60“ und betrieb dieses fortan - in Kooperation mit dem örtlichen DRK-Kreisverband und dem Klinikum Suhl - mit einem Rettungshubschrauber vom Typ BO 105 CBS. Die DRF war als Siegerin aus einer öffentlichen Ausschreibung des Thüringer Innenministeriums - “im Einvernehmen mit dem Freistaat Bayern“, wie es Stephan Straub in seinem Kongressvortrag anlässlich der AIRMED 1996 formulierte - hervorgegangen und “stach potente Konkurrenten wie den ADAC aus“, wie das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel“ in seiner Ausgabe 20/1999 vom 17. Mai 1999 schrieb. Es war dies das erste Mal in der Bundesrepublik, dass der Betrieb eines Rettungshubschraubers öffentlich ausgeschrieben wurde. Auch wenn “der Standort Suhl flugtechnisch als eher schwierig gesehen wurde“, sprach doch Vieles für ihn: die schwierige Versorgung des Gebietes des Thüringer Waldes mit seinem Mittelgebirgscharakter mittels bodengebundener Rettungsmittel und das Klinikum Suhl als Klinikum der Schwerpunktversorgung, an dem der RTH direkt stationiert werden konnte. Das SRH Zentralklinikum Suhl ist mit 22 eigenständigen Fach- und Teilgebieten der Medizin und 674 Betten das größte Krankenhaus in Südthüringen. Allerdings sei noch 1996 “bei den RTH-Anforderungen [...] in bestimmten Gebieten Thüringens eine unverständliche Zurückhaltung zu beobachten“ gewesen, schloss Straub seine Ausführungen über den “Christoph 60“.

Die BO 105 der DRF e. V. (hier die D-HLLL) warb anfangs auch für die Rettungsdienst-Stiftung Björn Steiger e. V.

Die BO 105 der DRF e. V. (hier die D-HLLL) warb anfangs auch für die Rettungsdienst-Stiftung Björn Steiger e. V.

Foto: Olaf Tampier

Den Ausbau der nötigen Infrastruktur, darunter eine Tankanlage, den Stützpunkt sowie den Hangar für das Fluggerät, finanzierten das Erfurter Gesundheits- und Sozialministerium mit zwei Millionen D-Mark und das dortige Innenministerium mit einer weiteren Million D-Mark.

Die BO 105 der DRF e. V. (hier erneut die D-HLLL) wartet auf ihren nächsten Einsatz. Zum Zeitpunkt der Aufnahme stand in Suhl noch das große Bettenhaus.

Die BO 105 der DRF e. V. (hier erneut die D-HLLL) wartet auf ihren nächsten Einsatz. Zum Zeitpunkt der Aufnahme stand in Suhl noch das große Bettenhaus.

Foto: Olaf Tampier

Die BO wurde am 26.08.2004 durch eine leistungsstärkere EC 135 ersetzt. Diese fliegt noch heute vom modernen DRFL-Luftrettungszentrum am SRH Zentralklinikum Suhl aus zu ihren Einsätzen. Bis heute wurden von Suhl aus über 18.000 Einsätze geflogen. 634 Einsätze flog “Christoph 60“ im ersten Jahr unter DRF-Flagge. Im Jahr 2007 konnte erstmals die 1.000er-Marke überschritten werden und im letzten Jahr waren es sogar 1.197 Einsätze.

Der Heliport entspricht bereits den aktuellen JAR-OPS-Richtlinien

Der Heliport entspricht bereits den aktuellen JAR-OPS-Richtlinien

Foto: Olaf Tampier

Der RTH “Christoph 60“ kehrt von einem Einsatz zurück ...

Der RTH “Christoph 60“ kehrt von einem Einsatz zurück ...

Foto: Jörn Fries

... und landet punktgenau auf dem Helipad vor seinem Hangar (hier die EC 135 mit der Kennung D-HDRT)

... und landet punktgenau auf dem Helipad vor seinem Hangar (hier die EC 135 mit der Kennung D-HDRT)

Foto: Jörn Fries

Am 13. April 2013 steht die Standortmaschine vom Typ EC 135 mit der Kennung D-HDRL vor dem Hangar. Witterungsbedingt sind an diesem trüben und nassen Tag nur wenige Einsätze möglich.

Am 13. April 2013 steht die Standortmaschine vom Typ EC 135 mit der Kennung D-HDRL vor dem Hangar. Witterungsbedingt sind an diesem trüben und nassen Tag nur wenige Einsätze möglich.

Foto: Jörn Fries

Der Crew des Suhler Rettungshubschraubers “Christoph 60“ gratulieren Autor und rth.info-Redaktion zum 20sten und wünschen ihr auch weiterhin “Many Happy Landings“.

Stellt nun seit genau 20 Jahren die Luftrettung in Südthüringen sicher: der am Zentralklinikum Suhl stationierte RTH “Christoph 60“ (hier die EC 135 mit der Kennung D-HDRL)

Stellt nun seit genau 20 Jahren die Luftrettung in Südthüringen sicher: der am Zentralklinikum Suhl stationierte RTH “Christoph 60“ (hier die EC 135 mit der Kennung D-HDRL)

Foto: Jörn Fries

Autor

Quelle(n)
Zeitungsartikel aus der Thüringer Lokalpresse und dem “Spiegel“, verschiedene Ausgaben des ADAC-Stationsatlas, Webseiten der DRF Luftrettung und von HeliFlight
Wir danken:
Herrn Werner Wolfsfellner, der bereitwillig sein Archiv für Recherchen öffnete bzw. sich aktiv an der Suche nach historischem Quellenmaterial beteiligte, und den beiden Bildautoren

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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