Eine Legende geht in den Ruhestand: Flyout der Bell UH-1D in der Luftwaffe (Teil 3)
21.02.2013
In dieser Reportagenserie sind erschienen:
- 27.01.2013 :: Eine Legende geht in den Ruhestand: Flyout der Bell UH-1D in der Luftwaffe (Teil 1)
- 04.02.2013 :: Eine Legende geht in den Ruhestand: Flyout der Bell UH-1D in der Luftwaffe (Teil 2)
- 21.02.2013 :: Eine Legende geht in den Ruhestand: Flyout der Bell UH-1D in der Luftwaffe (Teil 3)
- 02.03.2013 :: Eine Legende geht in den Ruhestand: Flyout der Bell UH-1D in der Luftwaffe (Teil 4)
Was vor fast 45 Jahren, genauer gesagt im Februar des Jahres 1968, in Penzing begann, ging am 19.12.2012 am gleichen Ort zu Ende. Für Profis und Fans gleichermaßen traurig aber wahr: die Zeit der Bell UH-1D in der Luftwaffe ist vorüber. In diesem Mehrteiler berichtet rth.info ausführlich über die Einsatzgeschichte dieses Typs in der Luftwaffe. Lesen Sie hier den 3. Teil.
Einen hohen Bekanntheitsgrad erreichten die Hueys der Bundeswehr als SAR-Hubschrauber. Hier leisteten sie seit der Einrichtung des damaligen Testrettungzentrums in Ulm im Jahr 1971 einen großen Beitrag im zivilen Luftrettungsnetz der Bundesrepublik Deutschland. Mitte der 1990er Jahre wurde jedoch der Rückzug von den Rettungszentren beschlossen, und die Standorte wurden sukzessive komplett in zivile Hand oder in zivil-militärische Kooperationen übergeben. Das Bundesministerium der Verteidigung begründete den Rückzug mit dessen Nicht-Zuständigkeit auf dem Sektor der zivilen Luftrettung.
Auf dem Landeplatz am Oberen Eselsberg in Ulm begann 1971 das Engagement der Bundeswehr in der zivilen Luftrettung. Prof F. W. Ahnefeld (†2012) war die Triebfeder vor Ort
Foto: Michael Schaufler
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Den Anfang machte im Januar 1998 das Rettungszentrum Jena, dicht gefolgt von den Rettungszentren in Rheine und Aachen. Sie wurden allesamt an die ADAC-Luftrettung GmbH übergeben. Ebenfalls 1998 verabschiedete man sich aus Nürnberg und übergab an die Deutsche Rettungsflugwacht. 1999 zog man sich vom Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz zurück und beauftragte die ADAC-Luftrettung GmbH mit der Stellung von Maschine und fliegerischem Personal. Die medizinische Crew stellt seither jedoch weiter die Bundeswehr. Im Jahr 2000 wurde der „SAR 96“ in Bad Saarow an die Deutsche Rettungsflugwacht übergeben, und 2003 wurde in Ulm eine vergleichbare Konstellation wie in Koblenz eingerichtet. In 2006 wurde auch das traditionsreiche Rettungszentrum „SAR 71“ in Hamburg aufgegeben. Hier stellte ab sofort das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe einen Zivilschutz-Hubschrauber mit Hilfe der Bundespolizei. Auch hier stellt aber das Standort-Bundeswehrkrankenhaus weiterhin das medizinische Personal. Die Übergabe des Rettungszentrums Neustrelitz an die ADAC-Luftrettung GmbH markierte dann ebenfalls im Jahr 2006 das definitive Ende des Beitrages der Bundeswehr zum zivilen Luftrettungsnetz.
Hier zu sehen: die offizielle Übergabe des Luftrettungszentrums Rheine an den ADAC im Jahr 1998
Foto: Olaf Tampier
Am 30.06.2006 war endgültig Schluss mit der zivilen Rettungsfliegerei in der Bundeswehr. Als letztes Rettungszentrum wurde der “SAR 93“ in Neustrelitz in die Hände der ADAC-Luftrettung GmbH übergeben.
Foto: Peter Pasternak
An vielen bereits weiter oben genannten Standorten stellte die Luftwaffe jedoch auch die SAR-Kommandos als SAR-Mittel ersten Grades. Sie wurden für den Einsatz bei Luftnotlagen gemäß den Richtlinien der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) vorgehalten. Die Bundeswehr verfolgte mit der relativ engmaschigen Stationierung an den Fliegerhorsten jedoch auch ein Eigeninteresse, denn so konnte sichergestellt werden, dass auch bei Flugunfällen im militärischen Flugbetrieb schnelle Hilfe zur Stelle war. Gemäß den Richtlinien der ICAO stehen die Maschinen tagsüber in einer 15-Minuten-Bereitschaft, in den Nachtzeiten dürfen es bis zu 60 Minuten Vorlaufzeit sein. Im Regelfall wurden und werden diese Ausrückzeiten jedoch deutlich unterschritten.
Die bei SAR-Maschinen standardmäßig eingerüstete AEG-Innenrettungswinde wird aus der Kabine geschwenkt und hat eine maximale Traglast von 275 kg bei einer Seillänge von 45 Metern
Foto: Harald Rieger
Glücklicherweise waren die SAR-Kommandos mit dieser Aufgabe jedoch nicht ausgelastet und im Rahmen der „dringenden Nothilfe“ wurden viele Verlegungsflüge durchgeführt. Da die SAR-Kommandos in der Regel nicht mit einem Arzt besetzt sind, flog hierbei oft ärztliches Personal der abgebenden Krankenhäuser mit. Durch die steigende Anzahl von Ambulanzhubschraubern und der Transformation dieser zu den heutigen Intensivtransporthubschraubern (ITH) verkleinerte sich dieses Aufgabenfeld jedoch von Jahr zu Jahr zu Gunsten der etablierten ITH von ADAC, DRF, JUH und Rotorflug. Diese Tatsache und vor allem aber auch der Rückgang militärischer Flugbewegungen über Deutschland nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“ führten zu einer Reduzierung der SAR-Kommandos. Durch parallele Veränderungen in den Geschwaderstrukturen wurden die Kommandos Bremgarten und Pferdsfeld in Malmsheim sowie Ahlhorn und Jever in Diepholz zusammengefasst. Das Faßberger Kommando fand in Laage eine neue Heimat, während in Erfurt und Holzdorf neue Kommandos entstanden.
Fliegen, wenn andere schlafen: die Luftwaffe bot bereits vor einigen Jahrzehnten im Rahmen des SAR-Dienstes die Luftrettung auch bei Nacht an, hier der “SAR 81“ in Laage
Foto: Peter Pasternak
In 2010 wurde dann bekannt, dass sich die Luftwaffe von weiteren SAR-Kommandos trennen wollte. Betroffen waren hier die Kommandos in Manching, Diepholz, Erfurt und Laage. Dies wurde nicht zuletzt mit einer guten Versorgung durch zivile Rettungshubschrauber begründet. Zurzeit (Stand Januar 2013) hält die Bundeswehr neben den Marineflieger-SAR-Kommandos auf Helgoland, in Warnemünde bzw. Kiel noch Überland-SAR-Kommandos an den Standorten Holzdorf, Landsberg/Penzing sowie Nörvenich aufrecht.
Der “SAR 89“ aus Erfurt war eines der einsatzstärksten SAR-Kommandos. Auffällig an dieser Aufnahme ist der für UV-Strahlen anfällige Tagesleuchtlack auf den Türen.
Foto: Sebastian Krauß
Besonders in den Wintermonaten operiert man bei den Landsberger Maschinen meistens mit markanten Schneebrettern
Foto: Frank Schwede
Auch wenn die SAR-Kommandos nicht zur öffentlich-rechtlichen Luftrettung gehör(t)en, lässt sich ihr Beitrag im Bereich der Interhospitaltransfers und bei Großschadenslagen nicht verschweigen. Insbesondere der „SAR 89“ aus Erfurt flog sehr viele zivile Einsätze. Bedingt durch den flächendeckenden Rückzug der Bundeswehr wurde mancherorts die Befürchtung laut, dass nun kaum noch schnell verfügbare Luftrettungsmittel mit einer Rettungswinde zur Verfügung stünden, denn mit Ausnahme des Rettungszentrums Ulm verfügte jeder SAR-Standort standardmäßig über eine Rettungswinde. Koordiniert wurden und werden die Einsätze der SAR-Kommandos über Land vom Rescue Coordination Centre, das zunächst in Köln-Wahn, dann in Goch, später in Münster und nun unter Führung des Heeres in Stadtallendorf angesiedelt ist.
“Notarzt“-Schriftzüge gab es nur beim LTG 63 und der LTGrp 62. Sie kamen in der Regel nur bei Maschinen an zivilen Rettungszentren zum Einsatz.
Foto: Heiner Lahmann
Taktisches Fliegen: Nap of the Earth (NoE)-Fliegen erfordert die volle Konzentration aller Besatzungsmitglieder. Im Bild eine Maschine deren Besatzungsraum für den Einsatz von Bildverstärkerbrillen geschwärzt wurde.
Foto: Michael Weber
Neben den inländischen SAR-Kommandos wurden aber auch SAR-Maschinen im Ausland vorgehalten. Dies erfolgte in der Regel an Plätzen, an denen deutsche Jet-Geschwader auf den Schießbahnen trainierten. So gab es durch das HTG 64 bediente SAR-Kommandos in Beja/Portugal und in Decimomannu/Sardinien. Das LTG 61 stellte über einige Jahre ein Kommando in Goose Bay/Kanada. Zur Verlegung eines Alpha Jet-Geschwaders im Zuge der Golfkrise 1991 schickte das HTG 64 ein Kommando mit nach Erhac/Türkei. Ferner stellte die Luftwaffe auch ein SAR-Kommando für den KFOR-Einsatz in Toplicane im Kosovo.
SAR im Ausland: In Beja/Portugal stellte das HTG 64 über einen längeren Zeitraum mit einem Kommando die SAR-Bereitschaft für die hiesigen NATO-Schießgebiete sicher. Vereinzelt kam es auch zu Einsätzen im zivilen Bereich.
Foto: Peter Pasternak
An dieser Stelle sei ebenfalls auf weitere humanitäre Einsätze der Luftwaffe mit UH-1D hingewiesen. Bereits 1969 verlegte man mit fünf Maschinen des damals noch jungen Waffensystems nach Tunis um Hilfe bei einer Überschwemmungskatastrophe zu leisten. 1970 flog man für etwa 2 Monate in Pakistan, um dort ebenfalls nach einer Naturkatastrophe zu helfen. Bereits ein Jahr später war man in der Türkei nach einem Erdbeben vor Ort. Der Kampf gegen den Hunger führte das HTG von November 1973 bis Mai 1974 zusammen mit UH-1D des BGS nach Äthiopien. Aber auch im Inland war die Hilfe der Luftwaffe unverzichtbar, genannt seien hier Schneekatastrophen in Norddeutschland, Bruch des Elbe-Seitenkanals, Heidebrand und Großschadensereignisse wie Ramstein, Flugzeugabsturz in Remscheid, Tanklastzugunglück in Herborn und das Zugunglück in Eschede.
Beim Zugunglück in Eschede 1998 war die Bundeswehr mit mehreren SAR-Hubschraubern von Rettungszentren und Kommandos sowie weiteren SAR-Mitteln zweiten Grades vor Ort
Foto: Peter Pasternak
Stimmungsaufnahme am Fliegerhorst Hohn
Foto: Michael Weber
Autor
- Quelle(n)
- Busse, Robert: Bell UH-1D „Huey“; Müller-Bringmann, Kaspar: Helfer aus der Luft. SAR - Search and Rescue; Wache, Siegfried: F-40 Bell UH-1D Luftwaffe; Wache, Siegfried: F-40 Bell UH-1D Heeresflieger