Reportage: Der neue Exot, Rostocks D-HAMV
06.07.2010
Seit 1993 fliegt der in Rostock ansässige Ambulanzflugdienst Mecklenburg-Vorpommern in der Luftrettung. Nachdem man in den letzten Jahren mit dem Luftfahrzeugmuster Agusta A 109 A Einsätze flog, setzt man nun auf die Aerospatiale SA 365 N Dauphin II.
Die „neue“ D-HAMV
Foto: Johannes Herrmann
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Die „Neue“
Die Einsatzmaschine mit der Seriennummer 6100 trägt die Kennung D-HAMV. Sie flog zunächst in Jugoslawien und zuletzt bereits Rettungseinsätze als „SAMU 37“ mit Basis am Krankenhaus der französischen Stadt Tours. Dort war sie als F-HIHI auf die Firma Mont-Blanc Hélicoptères zugelassen, welche in ganz Frankreich Rettungshubschrauber stellt. Nachdem die Maschine bereits seit Januar am Hauptsitz der Firma Rotorflug in Friedrichsdorf bei Frankfurt am Main auf ihren Einsatz in Deutschland vorbereitet und die künftigen Besatzungen auf ihr geschult wurden, fliegt sie seit Anfang April regulär ihre Einsätze als „Akkon Rostock 15/84/01“.
Der Vorgänger: Agusta A109 A D-HAMF
Foto: Johannes Herrmann
Angesichts der sich verändernden rechtlichen Regelungen in der Luftrettung, welche erhöhte Leistungsanforderungen an Rettungshubschrauber stellt, entschloss man sich zu dem Schritt ein neues Hubschraubermuster anzuschaffen. Aus diesem Grund mussten auch die anderen Luftrettungsbetreiber in Deutschland beispielsweise ihre noch im Einsatz befindlichen BO 105 ausmustern. Sie wurden größtenteils durch neue EC 135 ersetzt.
Reichlich Platz für den Patienten…
Foto: Johannes Herrmann
Auch die bei Rotorflug eingesetzte A 109 A erfüllte diese Anforderungen nicht. Sie war der einzige Hubschrauber dieses Typs in der deutschen Luftrettung. Und auch beim Nachfolger entschied man sich wieder für einen „Exoten“. Nur noch eine weitere Dauphin fliegt ihre Einsätze als „Christoph Hessen“.
Das Schicksal des Vorgängers, der A 109 "D-HAMF", ist bislang noch nicht endgültig geklärt, nachdem sie bei einem ihrer letzten Einsätze im Bereich des Heckrotors beschädigt wurde. Im Bedarfsfall wird man aber notgedrungen auf eine der A 109 die sich im Bestand von Rotorflug befinden zurückgreifen müssen.
…und die Begleiter
Foto: Johannes Herrmann
Was ist neu?
Das Cockpit der Dauphin
Foto: Johannes Herrmann
Dass man sich bei dem „neuen“ Hubschrauber für einen gebrauchten entschieden hat, liegt nicht zuletzt an dem deutlich niedrigeren Anschaffungspreis. Doch trotz eines Alters von bereits 24 Jahren, die Maschine ist Baujahr 1986, hat man damit einen deutlichen Vorsprung gegenüber der bisherigen Technik erreicht. Während selbst modernere Typen wie die EC 135 die gesetzlich geforderte Flugleistungsklasse 1 zwar im Normalfall, aber unter ungünstigen Umständen auch nicht immer erfüllen können, hat die Dauphin damit keinerlei Probleme. Allerdings gehört sie von vornherein zu einer anderen Gewichtsklasse (maximales Abfluggewicht EC 135: ca. 3.000kg; AS 365N: ca. 4.000kg).
Neben den höheren Leistungsreserven bietet die Dauphin ein bedeutend umfangreicheres Platzangebot, welches gerade bei Intensivtransporten von Vorteil ist.
Die A 109 bot Platz für die drei Besatzungsmitglieder und den Patienten, wobei dieser längs der Flugrichtung im Hubschrauber untergebracht war, die Beine bis links neben den Piloten ragten. In der Dauphin können dagegen zwei Piloten im Cockpit und im hinteren Bereich der Kabine neben dem Patienten bis zu vier Begleiter Platz nehmen. Grundsätzlich besteht die Crew aber nach wie vor aus Pilot, Arzt und HCM, derzeit fliegt zu Schulungszwecken teilweise noch ein zweiter Pilot mit. Der Patient fliegt jetzt quer zur Flugrichtung und ist so für die medizinische Besatzung während des Transports von Kopf bis Fuß zugänglich. Die medizinische Einrichtung wurde weitgehend aus der Vorgängermaschine übernommen. Sie umfasst unter anderem ein Oxylog 3000 sowie drei doppelläufige Spritzenpumpen. Neu hinzu kommt ein Defibrillations- und Monitoringgerät Corpuls 3.
Einsatzspektrum
Die Rettungsassistenten stellt die Johanniter Unfallhilfe
Foto: Johannes Herrmann
Auffällige Beklebung des „ITH Mecklenburg-Vorpommern“
Foto: Johannes Herrmann
Mit dem neuen Hubschrauber wird sich das Einsatzspektrum des Luftrettungszentrums auf kurze Sicht zunächst nicht ändern. Es umfasst größtenteils Intensivverlegungen von Krankenhaus zu Krankenhaus.
Primäreinsätze werden tagsüber aufgrund der Vorlaufzeit von maximal 20 Minuten nur bei entsprechenden Großlagen geflogen. Da „Akkon Rostock 15/84/01“ das einzige zivile Luftrettungsmittel in Mecklenburg-Vorpommern ist, welches rund um die Uhr zu Einsätzen alarmiert werden kann, besteht dagegen nachts durchaus die Möglichkeit zur Verwendung bei postprimären Einsätzen. Dabei wird nicht der Einsatzort direkt angeflogen, da dies gerade bei Dunkelheit erhebliche Risiken birgt, sondern ein vorher vorbereiteter und ausgeleuchteter Zwischenlandeplatz angeflogen. Dort wird der Patient vom Rettungswagen übernommen und in die Zielklinik geflogen. Zu diesem Zweck sind über ganz Mecklenburg-Vorpommern ca. 300 dieser Behelfslandeplätze, vor allem Sportplätze, aufgeklärt und gegebenenfalls die örtliche Feuerwehr in eine qualifizierte Ausleuchtung im Einsatzfall eingewiesen worden.
Schon von außen kann man das große Platzangebot innen erahnen
Foto: Johannes Herrmann
Ausgehend von den erheblich verbesserten Möglichkeiten des neuen Hubschraubermusters gibt es jedoch auch Überlegungen für Veränderungen. Konkret ist man derzeit mit den Planungen einer luftgestützten Wasserrettung ähnlich dem Modell von „Christoph 47“ in Greifswald beschäftigt. Dabei sollen Taucher der Berufsfeuerwehr Rostock vom Hubschrauber aufgenommen und zum Einsatzort verbracht werden. Nötigenfalls können sie dann auch direkt über Wasser abgesetzt werden. Um noch vielseitiger reagieren zu können wäre auch der Einsatz einer Rettungswinde denkbar. Diese ist für die Dauphin bereits vorhanden, der Betrieb würde jedoch einen erheblichen finanziellen Mehraufwand bedeuten, nicht zuletzt durch die dann regelmäßig nötigen umfangreichen Schulungsmaßnahmen.
Die beiden Turboméca Arriel 1C Triebwerke
Foto: Johannes Herrmann
Angesichts des Abzugs der Bell UH-1D „SAR Laage 81“ und der unsicheren Verfügbarkeit der Marine-Sea King in Warnemünde (derzeit wieder Montag bis Freitag) scheint dies aber durchaus überlegenswert. Nur die Polizeihubschrauberstaffel Mecklenburg-Vorpommern aus Laage verfügt mit ihren EC135 noch über Winch-Möglichkeiten. Des weiteren zieht man in Erwägung dauerhaft eine Besatzung am LRZ vorzuhalten um dank der dann wegfallenden Vorlaufzeiten auch vermehrt Primäreinsätze fliegen zu können. Hier müsste allerdings aufgeklärt werden, ob der Bedarf überhaupt groß genug ist, da man dem eigentlich in der Region zuständigen RTH, dem in Güstrow stationierten „Christoph 34“, keine Einsätze „stehlen“ will.
In jedem Fall sind die beschriebenen Neuerungen wie leider viel zu oft hauptsächlich eine Frage des Geldes. Hier liegt es in der Verantwortung der Kostenträger, in wie weit man bereit ist zum Wohle der Patienten zu investieren. Es bleibt also abzuwarten, ob und wann die Ideen in die Tat umgesetzt werden können.