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Die Stationsgeschichte des "Christoph 11"

02.09.2009

Sie ist sicherlich eine der interessantesten Stationshistorien in der deutschen Luftrettung: Die von Schwenningen, und dem dort beheimateten Rettungshubschrauber "Christoph 11".

Christoph 11 in Form einer BO 105 der DRF

Christoph 11 in Form einer BO 105 der DRF

Foto: Archiv rth.info

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10. November 1975: Einweihung

Der Präsident des ADAC Gau Südbaden lädt ein zu einer kleinen Feierstunde am Dienstag, den 18. November 1975 auf den Landeplatz der städtischen Unfallklinik Schwenningen um 16.00 Uhr. In Anwesenheit des Herrn Bundesministers, der zuständigen Landesminister und vom Präsidenten des ADAC soll "Christoph 11" seiner Bestimmung übergeben werden. Der Rettungshubschrauber habe einen Aktionsradius von 60 Kilometern – so das Wesentlichste aus der damaligen Einladung.

Aus einem Rundschreiben wird bekannt:

"...bis zur einer Vereinbarung mit der Schweiz sind Teile der Kantone Schaffhausen, Thurgau und Zürich vom Einsatzgebiet des 'Christoph 11' ausgenommen. Ebenso gilt für verschiedene deutsche Gemeinden eine längere Flugzeit, da man das Hoheitsgebiet der Schweiz nur mit größerem Aufwand für jeden Flug überfliegen darf. Daher ist – bis zur erwähnten Vereinbarung – der Zeitvorteil größer, wenn man den längeren Flugweg in Kauf nimmt. Für eine Gemeinde wird weiterhin vorgeschlagen nur die Straßenverbindungen zu nutzen..."

Anfang mit Schwierigkeiten

Als am 18. November 1975 der zweite Mehrzweckhubschrauber des Katastrophenschutzes außerhalb eines Ballungsgebietes stationiert wurde, waren die Ehrengäste sowie weitere geladene Gäste eingetroffen, doch der Bundesminister konnte nur ein Hubschraubermodell präsentieren – denn witterungsbedingt war es dem Original erst möglich zwei Tage später am Standort anzukommen. Wobei Standort sicherlich noch wohl leicht übertrieben war, die BO 105 musste jeden Abend zum Flugplatz Schwenningen geflogen werden, um die Maschine dort in einer Halle unterstellen zu können.

Wie auch bei anderen Standorten stellte in der damals krisengeschüttelten Zeit die Bundeswehr ab 08. September 1976 mit einer Bell UH-1D aus Roth die Luftrettung im Schwarzwald sicher. Nahezu rekordverdächtig – im Gegensatz zu manch anderem Standort – konnte man bereits nach rund einem Jahr den Hangar und die Unterkünfte in Betrieb nehmen.

Mit 1.500 Einsätzen seit Inbetriebnahme unterstrich am 06. September 1978 der Standort seine Bedeutung als schnelles Hilfsmittel.

Was immer die Gründe gewesen sein mögen, Ende 1979 stand die Station fast vor dem Aus: Die Bundeswehr plante die Beendigung ihrer Amtshilfe und ein Nachfolger war nicht in Sicht. Zwar hatte zumindest die S.O.S. Flugrettung damals eine Offerte für den Standort abgegeben: Eingesetzt werden sollte eine Alouette III. Allerdings wurde das Angebot der Organisation nicht berücksichtigt. Der ADAC übernahm daher kommissarisch ab 01.01.1980 die Station und wurde am 27. Oktober 1981 wieder vom Bundesgrenzschutz abgelöst. Beim Ersten Internationalen Luftrettungs-Symposion des DRK und ADAC Südbaden in Freiburg/ Breisgau im Oktober 1981 wurde auch die Station dem internationalen Besucher vorgestellt.

Hier konnte man u.a. zur Kenntnis nehmen:

"...im Zeitraum von 1976 bis 1981 wurden fünf grenzüberschreitende Flüge zur Schweiz durchgeführt, alle waren Sekundäreinsätze."

Nach 14 Jahren im Status eines Sonderlandeplatzes erhält Ende Oktober 1989 die Krankenhausverwaltung am Standort die dauerhafte Genehmigung für die Einrichtung des Hubschrauberlandeplatzes.

Der 10.000 Einsatz wird am 17. Juli 1990 registriert. Befremdlich war die Aussage aus dem Sozialministerium, die sich auf alle Standorte in Baden-Württemberg bezog: "...die seitherige Aufgabenstellung der Luftrettung ist landesweit in Frage zu stellen." (Stuttgarter Zeitung).

Es sollte bei Weitem nicht der letzte Wechsel sein. Ab dem 11. September 1991 stellte SAR Landsberg zunächst das Rettungsmittel, welches ab 27. November 1991 wieder durch den Bundesgrenzschutz abgelöst wird. Zur 'never ending story' wurde der ständige Betreiberwechsel, denn der nächste erfolgte schon am 22. Dez. 1992 mit der erneuten Übernahme durch die Bundeswehr. Diesmal kam die Maschine vom Heeresfliegerregiment 20 aus Neuhausen ob Eck. Keine gute Verbindung schien man wohl damals mit dem Pfarrhaus in Waldmössingen zu pflegen, denn "Christoph 11" berührte mit dem Rotorblatt das Pfarrhaus. Die Besatzung kam mit dem Schrecken davon, an der Maschine hingegen entstand Totalschaden.

Betreiber 7: erneut BMI

Betreiber 7: erneut BMI

Foto: Michael Mau / Archiv LRZ Chr. 11

Wohl kein Luftrettungszentrum der Welt hat so oft den Leistungserbringer gewechselt wie der Standort Schwenningen. Denn es kam noch ein Wechsel zustande: Erneut übernahm der Bundesgrenzschutz ab 01. Dezember 1993 den Betrieb.

Doch lange blieb der Bundesgrenzschutz nicht in Schwenningen, denn kurz vor Jahresande 1994 meldete die Schwäbische Zeitung den Rückzug des BGS, der im Jahr 1995 stattfinden solle.

Eine völlig neue Option für das Luftrettungszentrum ergab sich im Juli 1995. Neben den Gesprächen mit ADAC Luftrettung und DRF (heute DRF Luftrettung) wurden Überlegungen laut, einen DRK-eigenen Hubschrauber einzusetzen. Hintergrund dieser Idee: Im Juli stellte das Unternehmen IBCOL den Vertretern von Verbänden und Kassen die neue MD 900 'Explorer' vor. Die Entscheidung über den künftigen Betreiber und Hubschraubertyp wurde deshalb erneut verschoben. Und zwar auf Ende des Jahres 1995. Ursprünglich geplant gewesen war eigentlich, dies bis August 1995 entschieden zu haben. Dies war nun nicht mehr haltbar.

Die Entscheidung, wer nun auf der Station den Hubschrauber stellen sollte, fiel zugunsten der DRF (heute DRF Luftrettung) mit dem Wechsel am 01. Mai 1996. Dadurch hatte die unbefriedigende Situation ein Ende. Für den DRK-Kreisverband sei der neue Partner "eine Runde Sache", so der Vorsitzende bei der offiziellen Übergabe des Standortes am 12. Juli 1996. Rund ein Jahr nach der Indienststellung verzeichnete "Christoph 11" den 1.000 Einsatz mit dem neuen Betreiber. Fast punktgenau ein Jahr später folgte der 2.000 Einsatz. An diesen Zahlen zeigt sich bereits, dass seit 1998 innerhalb eines Kalenderjahres regelmäßig über 1000 Einsätze p.a. durchgeführt werden. Das mag auf den ersten Blick nicht viel erscheinen, doch sollte man neben der Bevölkerungsdichte (gerade in den entlegeneren Regionen von Schwarzwald und Baar-Ebene) auch die dortigen Witterungsverhältnisse nicht unberücksichtigt lassen. Diese schlagen häufig mit unzureichendem Flugwetter zu Buche.

Einsatz im Hochschwarzwald mit der Bergwacht. Nicht immer so gutes Flugwetter wie hier bei der Rettung eines Motorradfahrers

Einsatz im Hochschwarzwald mit der Bergwacht. Nicht immer so gutes Flugwetter wie hier bei der Rettung eines Motorradfahrers

Foto: Archiv rth.info

Dramatische Ereignisse spielten sich im Februar 2002 ab. Bei einem Notfalleinsatz erlebten Crew und Rettungsleitstelle den Alptraum, dass mehrere Krankenhäuser für einen Patienten erst die Aufnahmebereitschaft zusicherten, um sie dann wieder abzulehnen. In der Folge verstarb der Patient.

Der Standort Schwenningen schreibt Luftrettungsgeschichte: So geschehen im Jahr 2006. Die Rettungsflieger aus dem schwäbischen Teil der Stadt Villingen-Schwenningen stellen nach einer erfolgreichen Testphase das Flight Following System der Öffentlichkeit vor. Dieses satellitengestützte System ermöglicht es den angeschlossenen Leitstellen der Region, sich über den Standort und den aktuellen Einsatzstatus des Luftrettungsmittel zu informieren, selbst wenn sich die Maschine außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereich befindet. Der Zeitvorteil ist enorm und inzwischen laufen die Vorbereitungen, auf allen Standorten in Deutschland dieses System einzusetzen.

Die malerische Landschaft birgt Risiken für den Flugbetrieb in der für die Luftrettung erforderlichen geringen Flughöhe

Die malerische Landschaft birgt Risiken für den Flugbetrieb in der für die Luftrettung erforderlichen geringen Flughöhe

Foto: Archiv rth.info

Im Mai 2006 kann die DRF (heute DRF- Luftrettung ) auf 10 Jahre als Leistungserbringer zurückblicken. Im Jahr 2008 konnte der 30.000ste Einsatz vermelden. Im März 2009 erhielt Schwenningen "seine" neue Maschine vom Typ EC 135.

Christoph 11 startet durch mit der neuen EC 135, welche 2009 die betagte BO 105 ersetzte - rht.info berichtete darüber

Christoph 11 startet durch mit der neuen EC 135, welche 2009 die betagte BO 105 ersetzte - rht.info berichtete darüber

Foto: Michael Mau

Die hier aufgezeigte Stationschronik kann nur auszugsweise aufzeigen, welche Entwicklungen sich an dem Luftrettungszentrum am Rand des eher beschaulichen Schwarzwalds ergeben haben.

Den Besatzungen am Standort: Many happy landings!

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Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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