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Bemannte Multikopter als Notarztzubringer: ADAC Luftrettung stellt Ergebnisse der Machbarkeitsstudie vor und kündigt Testbetrieb ab 2023 an

21.10.2020

München (BAY) ::  Bemannte Multikopter stehen als schnelles Flugtaxi für eine mögliche Lösung gegen das Verkehrsproblem in Metropolregionen. Die ADAC Luftrettung startete im Jahr 2018 eine Machbarkeitsstudie, inwiefern diese Technologie für den Einsatz im Rettungsdienst einen Mehrwert liefern würde. Die Rettungshubschrauber würden zu 60% als schnelle Notarztzubringer eingesetzt. Das heißt, der Patiententransport mit dem Hubschrauber ist nicht der primäre Einsatzgrund, sondern der oftmals schnelle Transfer des Notarztes über vergleichsweise lange Distanzen zum Unglücksort steht im Vordergrund. Nicht selten wird der Patient dann bodengebunden ins Krankenhaus transportiert oder ambulant vom Notarzt versorgt, der Hubschrauber fliegt dann ohne Patienten zurück zur Station oder an die Zielklinik, wo er den Arzt wieder aufnimmt. Mitunter der wachsende Notarztmangel in eigenen Regionen ist für diese Entwicklung verantwortlich. Genau für diese Art von Einsätzen könnten die bemannten Multikopter eine emissionsärmere und leisere Alternative darstellen, um die Rettungshubschrauber für ihren unersetzlichen Einsatz als schnelles Transportmittel, beispielsweise in weit entfernte Spezialkliniken, nicht zu blockieren. Die wichtigste Erkenntnis der Studie sei jedoch, dass durch den Einsatz der Multikopter Notärzte sowohl schneller am Einsatzort sein als auch ein deutlich größeres Versorgungsgebiet abdecken können. Dabei wird betont, dass die Multikopter ausdrücklich nicht den Rettungshubschrauber ersetzen, sondern „optimal ergänzen“ sollen. Ein Patiententransport sei „vorerst“ nicht geplant. Die Besatzung bestehe lediglich aus zwei Personen: Dem Piloten und einem Notarzt. Da somit kein HEMS TC als Assistent des Notarztes zur Verfügung steht, müsse der Pilot eine notfallmedizinische Zusatzausbildung haben, heißt es weiter. Zudem sei die geringere Zuladung als bei einem Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) eine Herausforderung.

Mitte Oktober wurden im Rahmen einer Presseveranstaltung, die aufgrund der Corona-Lage schlussendlich nur virtuell stattfinden konnte, die Ergebnisse der Studie vorgestellt. Das Forschungsprojekt wurde in Kooperation mit der Firma Volocopter in Bruchsal sowie mit den Modellregionen Ansbach-Dinkelsbühl in Bayern und Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz durchgeführt. Begleitet wird das Projekt außerdem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Demnach könne durch die Studie „[…] ein einsatztaktischer Vorteil von Multikoptern im Rettungsdienst theoretisch belegt werden.“ Diese Verbesserung der Notfallversorgung werde vor allem ab einem Einsatzradius von 25 bis 30 Kilometern deutlich. Als optimale Fluggeschwindigkeit wird dabei 100 bis 150 km/h genannt, die Mindestreichweite solle 150 Kilometer betragen. Umgesetzt sein könnten diese Anforderungen in etwa vier Jahren. Ziel sei ein ununterbrochener 24h-Betrieb, auch bei Schlechtwetter.

Für die Ergebnisse wurden in den genannten Modellregionen, ausgehend von Bayern und Rheinland-Pfalz, mehr als 26.000 Notarzteinsätze simuliert, die sich auf historische Daten der Leitstelle stützten. Versuchsparameter waren dabei der Einsatzradius, die Reichweite und die Geschwindigkeit. Als Multicopter-Modell wurde ein VoloCity von Volocopter herangezogen, da dieser eine frühe Marktreife erwarten ließe. Durch 18 festverbaute Rotoren sei dieser besonders ausfallsicher. Des Weiteren zeige die Studie, dass der Betrieb kosteneffizient möglich sei sowie zwar Anpassungen bei den rettungs- und luftrechtlichen Vorschriften nötig seien, diese aber nicht als „[u]nüberwindbar“ zu bezeichnen seien.

Aufgrund der durchwegs positiven Ergebnisse hat die ADAC Luftrettung beim Presseauftakt zudem einen geplanten Probebetrieb für die Modellregionen ab 2023 bekannt gegeben. Bis dahin würden vom Hersteller noch Probeflüge unter besonderen Umständen wie Hanglagen oder Dunkelheit durchgeführt werden. Die Projektleiter gehen dabei noch einen Schritt weiter und stellen bis zum Jahr 2050 ein flächendeckendes Netz von bis zu 250 Multikoptern bundesweit als mögliches, optimistisches Ziel in Aussicht. Weitere Informationen zu diesem Vorhaben sowie die Studie als Download sind auf der verlinkten Seite der ADAC Luftrettung zu finden.

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Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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