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Isolationstragen beherrschendes Thema in Pressemitteilungen zur Luftrettung

04.05.2020

Berlin (BLN) ::  In den letzten Wochen berichteten viele regionale und überregionale Medien über die Bereitstellung neuer Isoliertragen für verschiedenste Intensivtransporthubschrauber (ITH). Dabei haben die Medienvertreter diesbezüglich auch Pressemitteilungen aufgegriffen. Namentlich die DRF Luftrettung veröffentlichte in kurzer Folge entsprechende Presseinfos über die Trage “EpiShuttle“, die sie nun einsetzt. Am 23. April, also über einen Monat nach Beginn der ersten tiefgreifenden Beschränkungen aufgrund des Coronavirus, meldete sich die Johanniter Luftrettung (JLR) ebenfalls zu Wort und wies in einer Pressemitteilung ihrerseits darauf hin, dass sie “[...] das Infektions-Transportsystem IsoArk im Jahr 2013 als Erste auf Rettungs- und Intensivtransporthubschraubern eingesetzt“ habe. Aufgrunddessen sehe sie sich als, so wörtlich, “Vorreiterin für die Durchführung von luftgebundenen Infektionstransporten“.

Wie zuvor die DRF Luftrettung betonte auch die JLR als Vorteil der Isolationstragen, dass nur diese nach einem Transport desinfiziert werden müssten, nicht jedoch die gesamte Hubschrauberkabine. Dies stelle einen Zeitgewinn dar, obwohl die Aufbereitung “in einer extra dafür gebauten Desinfektionskammer“ stattfinden müsse, die “zentral in Hessen stationiert“ sei.

“Hype für die Medien“ oder sinnvolle Verbesserung?

Unsere rth.info-Redaktion veröffentlicht gelegentlich Pressemitteilungen im Originaltext. In diesen Fällen hätten wir das nicht für sinnvoll gehalten, denn die Ausführungen der Betreiber zu den Isolationstragen blieben nach Einschätzungen unserer Redakteure eher an der Oberfläche. Schließlich richteten sie sich an eine breite Öffentlichkeit, nicht an ein interessiertes Fachpublikum. Eine Besonderheit der Corona-Lage ist, dass wenig Greifbares für Redaktionen vorhanden ist, über das man in eindrucksvollen Bildern berichten kann – sieht man von den Effekten wie leergefegten Straßen einmal ab. Die großen Intensivtransporthubschrauber mit ihren Isolationstragen wurden entsprechend dankbar aufgegriffen. Also gute Presse für die ITH-Betreiber, und eine Gelegenheit das eigene Leistungsspektrum in die Massenmedien zu bringen, die sich sonst viel eher für die primäre Notfallrettung interessieren. Unser Redakteur hat daher einige Nachfragen bei der JLR platziert, um detaillierter berichten zu können.

Isoliertrage EpiShuttle der DRF Luftrettung – Behandlung nur über die luftdichten Zugänge

Isoliertrage EpiShuttle der DRF Luftrettung – Behandlung nur über die luftdichten Zugänge

Foto: DRF Luftrettung

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Wie eine Isolationstrage funktioniert

Die JLR erklärte das von ihr verwendete System IsoArk wie folgt:

“Das Infektions-Transportsystem IsoArk besteht aus einem Isolierzelt und dem zugehörigen Filtersystem. Das System arbeitet zum Infektionsschutz nach außen mit einem Unterdruck-Prinzip. Zusammen mit einem Nanopartikel-Filtersystem wird sichergestellt, dass Krankheitserreger das Isolierzelt nicht verlassen – Personal und Umgebung werden geschützt. Selbst wenn die Zelthülle beschädigt werden sollte, kann die Unterdruckpumpe Risse bis zu zehn Zentimetern Länge ausgleichen und der Schutz bliebe bestehen. Die intensivmedizinische Behandlung wird während des Transportes nahtlos fortgeführt, da der Patient von beiden Seiten voll zugänglich ist. Durch Schleusen und integrierte Handschuhe können jederzeit alle Maßnahmen – von der Medikamentengabe bis hin zur Reanimation – sicher vorgenommen werden.“

Mechanische Reanimation möglich

Das verwunderte uns. rth.info sandte deshalb mehrere Rückfragen an die Pressesprecher der JLR. Wir wollten wissen, wie unter dem Isolierzelt eine Reanimation erfolgen kann, und ob es dabei Abhängigkeiten vom Hubschraubertyp oder dessen Ausstattung gibt. Die JLR erklärte dazu gegenüber rth.info:

“Für Patienten, die sich in einer kritischen Kreislaufsituation befinden, oder bei denen die Möglichkeit besteht in diesen Zustand zu verfallen, bereiten wir im IsoArk ein mechanisches Thoraxkompressionsgerät vor. Das Gerät zur mechanischen kardio-pulmonalen Reanimation befindet sich im Isolierzelt, ist jederzeit einsatzfähig und wird nach Ende des Einsatzes desinfiziert. Der Innenraum des Hubschraubers muss groß genug sein, damit das Isolierzelt hineinpasst. Die Johanniter Luftrettung setzt Intensivtransporthubschrauber des Typs H 155 und AS 365 N3 von Airbus Helicopters ein. [...] Das Kabinenvolumen liegt bei 9,2 bzw. 6,66 m³. [...] Aufgrund der Größe und der Höhe des Isolierzeltes wird der Patient nicht wie üblich quer zur Flugrichtung transportiert, sondern längs. Da im Innenraum der Maschinen genug Platz zur Verfügung steht, hat diese Änderung keinerlei Auswirkungen auf die Fortführung der Behandlung während des Fluges.“

Das heißt im Umkehrschluss: Für einen ITH muss ein Thoraxkompressionsgerät vorhanden sein und mitgeführt werden. Diese finden zunehmend Verbreitung im Rettungsdienst (siehe dazu ein Weblink). Die Johanniter Luftrettung gab an, dass sie keinerlei Einschränkungen der Qualität der mechanischen kardio-pulmonalen Reanimation unter IsoArk im Vergleich zu einer manuellen Reanimation sehe.

Im Falle einer Reanimation – der glücklicherweise bei Intensivtransporten die Ausnahme darstellt – könne der Flug fortgesetzt werden, so die JLR.

ITH der Johanniter Luftrettung – hier eine Aufnahme aus der Zeit vor Corona

ITH der Johanniter Luftrettung – hier eine Aufnahme aus der Zeit vor Corona

Foto: Frank Schumann

Es geht auch ohne Isolierzelt – was wird anders sein nach der Pandemie?

Da die Johanniter Luftrettung nachdrücklich Bezug auf ihre Erfahrungen vor der Corona-Pandemie nahm, hakte unser Redakteur nach, ob die Johanniter Luftrettung es als verspätet einschätze, dass andere ITH-Betreiber mitten in der Krise Isolationstragen beschaffen. Und ob sie ein Risiko darin sehe, dass einige ITH-Betreiber gar keine Isolationstragen vorhalten. Zu beiden Fragen wollte die Johanniter Luftrettung sich nicht äußern.

Die Pandemie konfrontiert nicht nur ITH-Besatzungen mit anstrengenden Einsätzen, sondern insbesondere auch den bodengebundenen Rettungsdienst

Die Pandemie konfrontiert nicht nur ITH-Besatzungen mit anstrengenden Einsätzen, sondern insbesondere auch den bodengebundenen Rettungsdienst

Foto: Landesverband der Johanniter in Niedersachsen und Bremen

Wie in unserem Artikel zu “Christoph 112“ in Ludwigshafen bereits vermerkt, muss die vergleichende Beurteilung von Aufwand, Risiken und Nutzen den Fachleuten der Luftrettung überlassen bleiben. Es wird spannend sein mitzuverfolgen, ob die Pandemie schlussendlich Auswirkungen auf die standardmäßige Ausstattung im Intensivtransport haben wird – und ebenso, ob es jenseits der Medizintechnik womöglich auch einsatztaktische Änderungen geben wird, die auf Erfahrungen aus der Corona-Krisenzeit basieren. Die künftigen einschlägigen Fachtagungen dürften (hoffentlich) aufschlussreich werden.

Und noch etwas ist bemerkenswert in diesen Tagen: Der immense Kontrast zwischen den ganz elementaren Hygienegrundsätzen, die mit einfachsten Mitteln in der Bevölkerung umsetzbar sind, und der immer größeren und schwereren High-Tech-Medizintechnik, welche luftverlastet teil über viele hundert Kilometer verlegt wird, um Engpässe in der regionalen klinischen Versorgung abzufedern und Patienten zwischen Spezialzentren und anderen Krankenhäusern zu verlegen. In früheren Jahren wäre dies mit den verfügbaren Hubschraubertypen mangels Platz und Zuladung zumeist gar nicht umsetzbar gewesen, selbst als die Tendenz hin zu hochspezialisierten Kliniklandschaften bereits eingesetzt hatte.

Alltag für viele Rettungsdienst-Organisationen: Beschaffung elementar wichtiger Verbrauchsmaterialien und Schutzkleidung, zu überhöhten bis teilweise astronomischen Preisen

Alltag für viele Rettungsdienst-Organisationen: Beschaffung elementar wichtiger Verbrauchsmaterialien und Schutzkleidung, zu überhöhten bis teilweise astronomischen Preisen

Foto: Landesverband der Johanniter in Niedersachsen und Bremen

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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