Berlin: Enormer Umbruch durch Ausschreibung der Luftrettung
14.05.2019
Berlin (BLN) :: Die deutsche Hauptstadt schreibt derzeit ihre Luftrettung neu aus – und die Unterlagen zur Ausschreibung fördern zutage, dass Berlin viele Umwälzungen vorhat. Die markanteste davon: ein dritter Rettungshubschrauberstandort, sogar mit Rettungswinde ausgestattet. Er existiert noch nicht und wird in den Unterlagen als “Christoph 31 BRAVO“ betitelt. Bislang waren in der Stadt an der Spree “Christoph Berlin“ und “Christoph 31“ beheimatet – beide mit bekanntermaßen hohen bzw. extrem hohen Einsatzzahlen. Diese extrem hohen Einsatzzahlen, speziell von “Christoph 31“, dürften den Ausschlag gegeben haben, einen dritten Hubschrauber betreiben zu wollen.
Die Unterlagen lassen einige Rückschlüsse auf das Berliner Betriebskonzept für den neuen Standort zu, aber es bleibt auch noch einiges ungewiss. So ist vorgesehen, den “31 BRAVO“ von der Berliner Berufsfeuerwehr (BF) medizinisch besetzen zu lassen – sowohl die HEMS-TC als auch notärztliches Personal. Die BF ist jedoch frei in der Entscheidung, zur Besetzung auch auf Dritte zurückzugreifen (das könnte z. B. die Bundeswehr sein).
Der künftige Standort des neuen Berliner Rettungshubschraubers “Christoph 31 BRAVO“ ist in der Ausschreibung noch nicht benannt. Offenbar gibt es aber bereits eine Finanzierungsvereinbarung mit den Kostenträgern – dies sind die Krankenversicherungen.
Die Laufzeit der zu erbringenden Leistungen ist vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2027 festgelegt, wobei es eine 2-jährige Vertragsverlängerungsoption gibt.
Wie üblich geht aus der Leistungsbeschreibung auch hervor, zu welchen Tages- und Nachtzeiten die Luftrettungsstandorte einsatzbereit zu halten sind. Im Fall Berlin ist dies:
Los 1 – Luftrettungszentrum CHRISTOPH 31 (Alpha)
(Alle Hervorhebungen in Fettschrift in den Zitatblöcken von uns, d.Red.)
Die Einsatzbereitschaft des Rettungshubschraubers ist ganzjährig täglich im Tagflugbetrieb frühestens ab Sonnenaufgang, spätestens ab 7:00 Uhr (das ist neu! d.Red. v. rth.info) bis Eintritt der fliegerischen Nacht für Primäreinsätze, Primärtransporte, Sekundäreinsätze, dringliche Sekundärtransporte, Suchflüge und sonstige Transporte (Transporte von Material, Einsatz-/Fachpersonal oder Organ-/Blutprodukten, die zwingend und alternativlos zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib oder Leben erforderlich sind) im gesamten Gebiet des Landes Berlin und (entsprechend der Vereinbarung zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die Zusammenarbeit in der Luftrettung) im Land Brandenburg sicherzustellen.
Auf Verlangen des Konzessionsgebers ist die Ärztliche Leitung Rettungsdienst Berlin bei der Entwicklung von Konzepten zur Eis-, Wasser- und Höhenrettung zu unterstützen und ein Einsatzdienst unter Wahrung der Flugsicherheit entsprechend dieser Konzepte umzusetzen.
Darüber hinaus ist die Einsatzbereitschaft des Rettungshubschraubers auch dauerhaft und ganzjährig im Flugbetrieb der Nacht [VO (EU) Nr. 923/2012 Artikel 2 Nr. 97] für dringliche Primäreinsätze, Primärtransporte, Sekundäreinsätze, dringliche Sekundärtransporte sicherzustellen, falls durch die Rettungsdienstbedarfsplanung respektive die Luftrettungsbedarfsplanung ein zusätzlicher Bedarf an Luftrettungsmitteln festgestellt wird.
Der Rettungshubschrauber hat die Notfallrettung im Umkreis von mindestens 70 km von der Luftrettungsstation (Primäreinsatzbereich) durchzuführen.
Für die genannten Aufgaben besteht eine Betriebspflicht.
Los 2 – Luftrettungszentrum CHRISTOPH BERLIN
Hier ist die Spezifikation ähnlich gelagert, daher geben wir sie verkürzt wieder:
Die Einsatzbereitschaft des Rettungshubschraubers ist ganzjährig täglich im Tag- und Nachtflugbetrieb sicherzustellen. Als Dual-Use-Rettungshubschrauber hat er für Primäreinsätze, Primärtransporte, Sekundäreinsätze, dringliche Sekundärtransporte, in subsidiärer Zuständigkeit auch Air-Ambulance-Missions (arztbegleiteter Krankentransport gemäß des Gesetzes über den Rettungsdienst für das Land Berlin und der VO (EU) 965/2012 sowie im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Vereinbarung zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg in der Notfallrettung), Suchflüge und sonstige Transporte [...] die Einsatzbereitschaft im gesamten Gebiet des Landes Berlin und [...] im Land Brandenburg sicherzustellen.
Der Rettungshubschrauber hat die Notfallrettung im Umkreis von mindestens 100 km von der Luftrettungsstation (Primäreinsatzbereich) durchzuführen. [...]
Los 3 – Luftrettungszentrum CHRISTOPH (31-BRAVO)
Auch hier zitieren wir verkürzt, um Dopplungen zu vermeiden:
Die Einsatzbereitschaft des Rettungshubschraubers ist ganzjährig täglich im Tagflugbetrieb, frühestens ab Sonnenaufgang, spätestens ab 7:00 Uhr bis Eintritt der fliegerischen Nacht gemäß LuftVG und LuftVO für Primäreinsätze, Primärtransporte, Sekundäreinsätze, dringliche Sekundärtransporte, Suchflüge und sonstige Transporte [...] im gesamten Gebiet des Landes Berlin und [...] im Land Brandenburg sicherzustellen.
Der Rettungshubschrauber hat im Gebiet der Länder Berlin und Brandenburg Primäreinsätze mit Seilwinde unter Einhaltung der Anforderungen nach VO (EU) Nr. 965/2012 SPA.HHO durchzuführen.
Der Rettungshubschrauber hat die Notfallrettung im Umkreis von mindestens 70 km von der Luftrettungsstation (Primäreinsatzbereich) durchzuführen. [...]
Seilwinde in der Großstadt
Das Bereitstellen einer Rettungswinde ist für eine großstädtisch geprägte Region eher unüblich. In München gibt es “Christoph 1“, der eine Rettungswinde aufgrund der Nähe zu den Alpen vorhält. Und lange Jahre hielt die Bundeswehr SAR-Hubschrauber für die zivile Luftrettung vor, welche dann auch in Großstädten wie Hamburg mit Rettungswinde geflogen waren.
Das Rettungsmittel ist in Einsatzsituationen mit Rettung von Patienten aus besonders schwierigen, exponierten Lagen extrem hilfreich. Oft sind dies Situationen, wo eine anderweitige Rettung sehr zeitaufwändig wäre. Allerdings kostet eine Rettungswinde Gewicht (d.h. sie schränkt die weitere Zuladung ein) und ist trainings- und somit kostenintensiv. Aufgrund der deutlichen Reduktion von SAR-Hubschrauberstandorten der Bundeswehr, die vormals besser zu Hilfe gezogen werden konnten, ist die zivile Luftrettung darauf angewiesen, entsprechende Kapazitäten für Spezialrettungen anderweitig sicherzustellen.
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Fliegt derzeit die Mehrzahl der Luftrettungseinsätze in Berlin: “Christoph 31“ der ADAC Luftrettung, hier ein Archivbild
Foto: Werner Latten
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