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rth.info – Faszination Luftrettung

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Faszination Luftrettung


2. Luftrettungssymposium Christoph 90 / Gießen: Das Undenkbare denken!

03.10.2017

Gießen (HES) ::  Am Freitag, den 15. September und am Samstag, den 16. September 2017 fand in der mittelhessischen Universitätsstadt Gießen das 2. Luftrettungssymposium Christoph 90 / Gießen statt. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. med. Michael Sander und Professor Dr. med. Simon Little (beide Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen) diskutierten 130 Teilnehmer am Samstag über aktuelle Fragen der Notfallmedizin. Bereits am Freitag konnte ein Teil in verschiedenen Workshops in realitätsnahen Szenarien an typischen, aber auch an seltenen Notfällen üben. Während die samstäglichen Vorträge im Medizinischen Lehrzentrum des Uniklinikums Gießen stattfand, standen für die freitäglichen Workshops der Chirurgische Hörsaal der Gießener Uniklinik und das Luftrettungszentrum der Johanniter in der Lahnstraße zur Verfügung. Zwischen beiden Veranstaltungsorten pendelte ein Shuttlebus der Johanniter Luftrettung. Veranstaltet wurde das zweitägige Symposium von der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Gießen und der Justus-Liebig-Universität Gießen in Zusammenarbeit mit der Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. – Johanniter Luftrettung – in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft in Hessen tätiger Notärzte (AGHN) e. V.

Namensgeber des Luftrettungssymposiums: der Dual-Use-ITH “Christoph Gießen“ (hier zu sehen am 16. September 2017 auf dem Dachlandeplatz der Uniklinik Gießen)

Namensgeber des Luftrettungssymposiums: der Dual-Use-ITH “Christoph Gießen“ (hier zu sehen am 16. September 2017 auf dem Dachlandeplatz der Uniklinik Gießen)

Foto: Jörn Fries

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Veranstaltungsort I: das Medizinische Lehrzentrum des Gießener Universitätsklinikums (hier am frühen Morgen des 16. September 2017)

Veranstaltungsort I: das Medizinische Lehrzentrum des Gießener Universitätsklinikums (hier am frühen Morgen des 16. September 2017)

Foto: Jörn Fries

Veranstaltungsort II: das Luftrettungszentrum der Johanniter in der Lahnstraße (die Aufnahme entstand Ende März 2017)

Veranstaltungsort II: das Luftrettungszentrum der Johanniter in der Lahnstraße (die Aufnahme entstand Ende März 2017)

Foto: Jörn Fries

Stand als Shuttlebus zwischen den Veranstaltungsorten zur Verfügung: der auffällig beklebte Sprinter der Johanniter Luftrettung

Stand als Shuttlebus zwischen den Veranstaltungsorten zur Verfügung: der auffällig beklebte Sprinter der Johanniter Luftrettung

Foto: Jörn Fries

Statt der geplanten vier Workshops fanden am Freitagnachmittag tatsächlich nur drei statt, womit man dem ausdrücklichen Wunsch der Teilnehmer entsprach, wie Professor Little bei seinen Abschiedsworten am Samstagnachmittag betonte. Dabei reichten diese von Kindernotfällen über invasive Techniken bis zur präklinischen Sonografie.

Symposium

Pünktlich um 9:15 Uhr eröffnete Michael Sander am Samstagvormittag den zweiten Teil der interessanten Veranstaltung. In seinem kurzen Grußwort begrüßte er neben seinem Co-Speaker Günther Lohre (Gießen) auch dessen Kollegen Oliver Meermann von der Geschäftsführung der Johanniter Luftrettung sowie den Vorsitzenden des Ausschusses Notfallmedizin der Landesärztekammer Hessen, Herrn Dr. med. Dipl.-Chem. Paul Otto Nowak, und dankte den Referenten für ihre Bereitschaft, ihre Expertise mit anderen zu teilen.

Im Gespräch I: (v.l.n.r.) Günther Lohre, Oliver Meermann, Michael Sander und Simon Little im Hörsaal 2 des Medizinischen Lehrzentrums der Uniklinik Gießen

Im Gespräch I: (v.l.n.r.) Günther Lohre, Oliver Meermann, Michael Sander und Simon Little im Hörsaal 2 des Medizinischen Lehrzentrums der Uniklinik Gießen

Foto: Jörn Fries

Günther Lohre erwähnte zu Beginn seines Grußwortes die Pioniertat des hessischen Arztes Hans-Werner Feder, der vor fast genau 50 Jahren in Mittelhessen einen dreiwöchigen Feldversuch mit einem Notarzt-Hubschrauber unternahm und somit die Erfolgsgeschichte der Luftrettung in der Bundesrepublik einleitete. Anschließend verwies er auf die Anfänge der Johanniter in der Luftrettung vor mehr als 40 Jahren und auf die ausgesprochen gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Uniklinikum Gießen. Um diese Kooperation auch künftig zum Wohle der Patienten fortsetzen zu können, bedürfe es regelmäßiger Fortbildungsveranstaltungen wie dieser.

Lessons learned?

Die beiden wissenschaftlichen Leiter des Symposiums, Michael Sander und Simon Little, moderierten auch die erste Sitzung am Samstagvormittag, die sich mit der taktischen Notfallmedizin befasste. Matthias Helm (Ulm) analysierte Einsätze mit bewaffneten Gewalttätern nicht nur aus dem militärischen Bereich und zog daraus Lehren für die präklinische und klinische Notfallversorgung. Man dürfe nicht Teil des Problems, sondern der Lösung sein, war Helms Credo. Welche Therapiekonzepte dabei neu und sinnvoll seien, dies beleuchtete anschließend Thomas Braun (Gießen). Wie man Patientenströme managt und disponiert, zeigte Hans-Georg Jung (Frankfurt am Main) am Beispiel der hessischen Mainmetropole und des IVENA eHealth-Systems auf. Der Luftrettung käme dabei eine besondere Rolle zu, sei es als schneller Notarztzubringer, sei es als Joker, um Krankenhäuser vor Ort von schwerst verletzten Patienten zu entlasten. Den drei brillant vorgetragenen Referaten schlossen sich jeweils ausführliche Diskussionen an, die zeigten, dass man sich in Deutschland zu lange auf einer Insel der Glückseligen wähnte.

Matthias Helm zeigte eindrucksvoll, dass die zivile Notfallmedizin von den militärischen Erfahrungen profitieren könne

Matthias Helm zeigte eindrucksvoll, dass die zivile Notfallmedizin von den militärischen Erfahrungen profitieren könne

Foto: Jörn Fries

Im Gespräch II: (v.l.n.r.) Thomas Braun, Michael Sander, Hans-Georg Jung und Uwe Hamsen in einer kleinen Pause

Im Gespräch II: (v.l.n.r.) Thomas Braun, Michael Sander, Hans-Georg Jung und Uwe Hamsen in einer kleinen Pause

Foto: Jörn Fries

Die zweite Sitzung unter der Moderation von Uwe Hamsen (Bochum) und Mumi Abou Taleb (Gießen) widmete sich dem Einsatz von Rettungsdienst und Notarzt in herausragenden Konfliktlagen. Während Oliver Pitsch (Frankfurt am Main) das neu aufgestellte und von der WHO zertifizierte Emergency Medical Team von Johannitern vorstellte, referierte Simon Little in Vertretung für die beiden kurzfristig verhinderten Herrmann Friedrich (Wiesbaden) und Torsten Schröder (Berlin) über den Massenanfall von Verletzten (ManV) und besondere Gefahrenlagen. Auf Helms Vortrag vom Vormittag eingehend, zeigte er sich sehr selbstkritisch und forderte ein sofortiges Umdenken im Umgang mit besonderen Lagen. “Terroranschläge können an jedem Ort in Deutschland stattfinden“ – und der Verfasser dieser Zeilen ergänzt: und zu jeder Zeit – stand am White Board. Dies gelte, so Little, nicht nur für Publikumsmagnete wie Berlin (Breitscheidplatz), Paris (Stade de France, Notre Dame), London (Tower Bridge) oder Barcelona, sondern auch für die “Provinz“ (Ansbach oder Würzburg seien hier stellvertretend genannt). Die Amokfahrt vom Breitscheidplatz oder das Shooting vom Münchner Olympia-Einkaufszentrum zeige, dass man Lagen nicht mehr als sicher definieren könne. Die “Kultur des Alltags“ müsse sofort verändert werden, Althergebrachtes überdacht und gegebenenfalls aussortiert werden. Besonders kritisch sah Little die Situation in den Krankenhäusern, die bei einem TerrorManV plötzlich auf sich selbst angewiesen seien und neben der Verletztenversorgung auch ihre eigene Sicherheit gewährleisten müssten – gänzlich ohne polizeiliche Unterstützung.

Mumi Abou Taleb moderierte zusammen mit Uwe Hamsen die zweite Sitzung

Mumi Abou Taleb moderierte zusammen mit Uwe Hamsen die zweite Sitzung

Foto: Jörn Fries

Am Nachmittag beendete die dritte Sitzung, moderiert von Valesco Mann und Simon Little (beide Gießen), das zweitägige Symposium. Domagoj Damjanovic (Freiburg) referierte über Sonografie in der Rettungschoreografie, Thomas Friedl (Gießen) von der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) zeigte vielversprechende Optionen von eHealth für den Rettungsdienst auf. Letztendlich gelte es, so Friedl, technische Lösungen für technische Problemstellungen zu finden und diese nicht im Vorfeld zu zerreden. Er wies in seinem interessanten Vortrag immer wieder, unter anderem am Beispiel der elektronischen Gesundheitskarte, auf Befindlichkeiten der Mitspieler im System hin. Wie schon zuvor Simon Little, plädierte auch Friedl für ein Mehr an Miteinander und ein Weniger an Gegeneinander. Den Abschluss der dritten und letzten Session des zweitägigen Symposiums bildete das Referat von Matthias Bayer (Gießen), der das im Aufbau befindliche Netzwerk Kardiogener Schock vorstellte. “Retten ECMO und Kooperationsvereinbarungen Leben?“ war der provokante Titel seines Vortrags, in dem er auch nicht mit Kritik an einem Zuviel an Therapie am Beispiel der ECMO-Behandlungen sparte. ECMO bringe für wenige, schwerst erkrankte Patienten durchaus Vorteile, sei aber kein Allheilmittel, zumal viele der Patienten oftmals weitere Grunderkrankungen hätten, die nicht therapierbar seien.

Valesco Mann war für die dritte Sitzung als Moderator im Einsatz

Valesco Mann war für die dritte Sitzung als Moderator im Einsatz

Foto: Jörn Fries

Die Reihen im Hörsaal 2 des Medizinischen Lehrzentrums waren gut gefüllt

Die Reihen im Hörsaal 2 des Medizinischen Lehrzentrums waren gut gefüllt

Foto: Jörn Fries

Die Pausen zwischen den einzelnen Sessions nutzten die Referenten und Teilnehmer des Symposiums bei einem Catering zum Meinungsaustausch und zum Besuch der kleinen, aber feinen Industrieausstellung im Untergeschoss des hervorragend restaurierten Medizinischen Lehrzentrums. Zu Gast war in der längeren Mittagspause auch die Besatzung des Dual-Use-ITH “Christoph Gießen“, die einen Patienten ins Uniklinikum gebracht hatte. Doch ihr Aufenthalt währte nur kurz, die Leitstelle kündigte per Pieper einen Anschlussauftrag an.

Im Gespräch III: In den Pausen hatten Teilnehmer und Referenten des Symposiums ausreichend Gelegenheit zum Meinungsaustausch und zum Besuch der Industrieausstellung

Im Gespräch III: In den Pausen hatten Teilnehmer und Referenten des Symposiums ausreichend Gelegenheit zum Meinungsaustausch und zum Besuch der Industrieausstellung

Foto: Jörn Fries

Ulrike Götz von kongkret kümmerte sich gleichermaßen um Teilnehmer und Referenten des Luftrettungssymposiums

Ulrike Götz von kongkret kümmerte sich gleichermaßen um Teilnehmer und Referenten des Luftrettungssymposiums

Foto: Jörn Fries

Dem wissenschaftlichen Leiter des Symposiums Simon Little blieb es vorbehalten, ein Fazit zu ziehen. Er dankte allen Mitwirkenden des Symposiums, vor allem Florian Martens (Gießen) und seinem Team für die Vorbereitung der Veranstaltung, aber auch allen in Rettungsdienst, Klinik und Luftrettung Tätigen für ihr Engagement und wünschte allen eine gute Heimfahrt. Zuvor stellte Little aber ernüchternd fest, dass es unglaublich viele neue Baustellen gebe, aber kaum Lösungen. Da die Diskussionskultur in Mittelhessen ausgeprägt sei, werde man sich nun aber an die Abarbeitung der Probleme begeben und sicherlich zu guten Lösungen kommen, auch mit Hilfe neuer Technologien als Werkzeuge in den Händen der Verantwortlichen. “Nur miteinander geht es“, so sein persönliches Fazit. Alle Vorträge wurden mit einer Videokamera aufgenommen und sollen in den nächsten Wochen den Teilnehmern des Symposiums als Podcast auf der Homepage der Uni Gießen zugänglich gemacht werden.

Eine Fortsetzung der im Vorjahr gestarteten Gießener Luftrettungssymposium-Reihe ist geplant: Das 3. Luftrettungssymposium Christoph 90 / Gießen soll am 15. und 16. September 2018 stattfinden. Veranstaltungsort ist wiederum das Medizinische Lehrzentrum des Universitätsklinikums Gießen.

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Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

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Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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