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Zivilschutz: Interesse an Standort Hamburg!

26.03.2004

Bonn (NRW) ::  Bereits seit mehreren Jahren steht fest, dass die Bundesluftwaffe plant, ihre Rettungshubschrauber (RTH) aus dem zivilen Luftrettungsnetz abzuziehen. Diese Pläne sind weitestgehend abgeschlossen. Mittlerweile werden nur noch die RTH-Standorte Hamburg und Neustrelitz von der Bundeswehr betrieben. Hinzu kommen diverse Hubschrauber des Such- und Rettungsdienstes (SAR), die aber keie Rettungshubschrauber sind und nur in Ausnahmefällen für die Luftrettung bereitstehen - zumal sie im Gegensatz zu den Bundeswehr-RTH auch keinen Notarzt ständig an Bord haben. All dies ist soweit nichts Neues. Auch ist nichts Neues, dass die Bundeswehr plant, auch die beiden verbleibenden Standorte zumindest teilweise in zivile Hände zu geben. So soll, wie in Koblenz und Ulm schon geschehen, auch in Hamburg die Bundeswehr weiter das medizinische Personal des RTH stellen, der Hubschrauber und die fliegerische Crew aber nicht mehr von der Bundeswehr kommen.

Klar ist auch schon gewesen, dass zivile Organisationen wie die ADAC Luftrettung als potenzieller Nachfolger für den Hamburger Primär-Luftrettungs- Standort angesehen wurden. Doch jetzt bahnt sich eine sehr unkonventionelle Lösungsoption an: Möglicherweise wird der Standort nicht in private bzw. kommerzielle Hände gegeben, sondern weiter vom Bund betrieben. Allerdings nicht unter der Aufsicht des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg), sondern des Bundesinnenministeriums. Das hat, so berichtete vor einiger Zeit die "Welt am Sonntag", nämlich sein Interesse an einer Übernahme des Hubschrauber-Fugbetriebs mittlerweile öffentlich bekundet. Die bekannte und populäre Station, von der aus jährlich oft zwischen 1.800 und 2.000 Einsätze geflogen werden, würde somit zu einem Standort des Zivilschutz-Hubschraubernetzes werden. Dies steht zwar im scharfen Kontrast zu langfristigen Bestrebungen des Ministeriums, sein Engagement in der Luftrettung durch eine Reduzierung der Zivilschutz-Hubschrauber-Standorte zurückzuschrauben. Die Vorteile eines solchen Verfahrens werden jedoch untenstehend noch erläutert. Sollte eine Übernahme des Flugbetriebs durch den BGS erfolgen, so wäre für die Abwicklung organisatorisch wohl die BGS-Fliegerstaffel Nord in Bad Bramstedt (SH) zuständig. Als neues Hubschraubermuster wird dann wohl ausschließlich die Bell 212 in Betracht kommen. Sie ist von der Größe her gut mit der zur Zeit von der Bundeswehr eingesetzten Bell UH-1D vergleichbar und bietet weiterhin eine geräumige Kabine sowie die Option zur Mitführung einer Rettungswinde, wie die Bundeswehr sie an ihren SAR-Standorten und auch in Hamburg vorhält. Da die Bell 212 ein Hubschrauber mit zwei Turbinen ist, wird auch den Flugsicherheitsaspekten Rechnung getragen. Die Bell UH-1D gilt als sehr betagtes Muster und wird von der Bundeswehr ausschließlich in der "single-engine" (also einmotorigen) Ausführung geflogen. Obwohl dies selbstverständlich in dem Sinne kein Risiko für die Sicherheit der Crew darstellt, werden alle modernen Rettungshubschrauber-Typen seit vielen Jahren mit zwei Turbinen angetrieben. Der BGS, welcher für das BMI die Piloten und die Wartung der Zivilschutz-Hubschrauber übernimmt, wäre als Nachfolger somit offensichtlich in der Lage, alle vom Land geforderten Voraussetzungen für einen weiteren Betrieb des Standortes zu erfüllen. Darüber hinaus fliegt der BGS nicht nach kommerziellen Gesichtspunkten. Eine Abrechnung der Einsätze nach Pauschale, wie sie derzeit bei Einsätzen des Hamburger "SAR 71" erfolgt, wäre so kein Problem. Auch wenn sich bei dieser Zahlungsart Flüge über längere Strecken schnell nicht mehr finanziell lohnen. Auch den Krankenkassen dürfte somit eine Übernahme des Standortes durch BGS und BMI entgegenkommen. "Nebenbei" könnte die Fliegerstaffel Nord des Bundesgrenzschutzes jedoch den Erfahrungsschatz ihrer Crew-Mitglieder durch die zahlreichen Einsätze in Hamburg erheblich erweitern. Derzeit ist der BGS für das Bundesinnenministerium in Güstrow (MVP) und Eutin (SH) mit Hubschraubern des Typs Bell 212 unterwegs. Aufgrund der begrenzten Anzahl von Bell 212 in der Flotte des BMI wäre es mehr als nur wahrscheinlich, dass einer der beiden bestehenden Standorte - zum Beispiel Güstrow - fortan mit einer BO 105 CBS-5 betrieben würde, wie sie an 14 anderen Stationen des Ministeriums auch zum Einsatz kommt. Eine solche Option sind Zivilschutz und Grenzschutz jedoch offensichtlich mit Blick auf den Standort Hamburg in Kauf zu nehmen bereit. Das scheint zu unterstreichen, dass es die staatlichen, aber nicht-militärischen Anbieter sehr ernst meinen mit ihrem geplanten Engagement in der Stadt an Elbe und Alster. Wobei übrigens eine mögliche Übernahme des Standortes durch BGS und BMI nicht mit einer Neuausschreibung der Station verbunden sein wird.
So ist der Ausgang der Neubesetzung des Rettungszentrums wieder völlig offen.

Die ADAC Luftrettung, so die Welt am Sonntag, sieht den Wettbewerb um die Station eigenen Angaben zufolge gelassen. Die Zeitung zitiert einen Sprecher des regionalen "ADAC Hansa": "Wir warten auf die Ausschreibung." Und zwar "gelassen", wie es weiter heißt. Erwartet wird ganz klar eine Lösung, wie sie in Ulm und Koblenz schon realisiert wurde. Militärische Ärzte und Rettungsassistenten besetzen einen zivilen Hubschrauber mit zivilen Piloten. Denn ihre Kompetenz haben die Besatzungen der "Turtle Airlines", wie sich die Bundeswehr-Retter manchmal nennen, in mehr als dreißig Jahren bewiesen. Seit 1973 stellt die Luftwaffe am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg ihren Retter in Tarnfarben. Und seither kommen auch die Ärzte und Sanitäter aus dem Standort-Krankenhaus. Fest steht eines: Der typische Klang der Rotorblätter der UH-1D werden in Hamburg viele vermissen, doch mit der Bell 212 des BMI wäre mit Sicherheit eine gute Lösung gefunden. Um eine Lösung nämlich hat sich das Bundesverteidigungsministerium zu kümmern.

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Revision

Am 27.03.2004 wurden einige unklare Formulierungen in diesem Artikel richtiggestellt.

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Quelle(n):
"Welt am Sonntag", Artikel vom 14.03.2004 von André Zand-Vakili

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Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

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Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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