Direkt zum Inhalt...

rth.info

Faszination Luftrettung

rth.info - Faszination Luftrettungzur Startseite


Hans-Werner Feder: Ein Luftrettungspionier wird 80

20.10.2014

Kassel (HES) ::  Am heutigen Montag (20.10.2014) feiert Hans-Werner Feder in Kassel im Kreise seiner Familie seinen 80sten Geburtstag. Der wie Hans-Dietrich Genscher in Halle an der Saale geborene Arzt und Luftrettungspionier dürfte indes nur noch wenigen Insidern bekannt sein, auch wenn der Vizepräsident für Technik des ADAC e. V., Thomas Burkhardt, ihn am 3. April 2014 beim Festakt anlässlich des 30sten Geburtstages des Fuldaer Rettungshubschraubers “Christoph 28“ als einen der großen Pioniere der Luftrettung in Deutschland bezeichnete und nicht ohne Stolz auf dessen, vom ADAC Hessen finanziell unterstützten und seinerzeit viel beachteten Feldversuch in der Wetterau verwies.

Auch abseits der Autobahnen wurde der Not-Arzt-Hubschrauber “Rotkreuz Friedberg 50“ eingesetzt (hier bei einem schweren Verkehrsunfall)

Auch abseits der Autobahnen wurde der Not-Arzt-Hubschrauber “Rotkreuz Friedberg 50“ eingesetzt (hier bei einem schweren Verkehrsunfall)

Foto: Archivfoto Werner Wolfsfellner MedizinVerlag München

- Anzeige -

Bereits zwanzig Jahre zuvor, am 12. August 1994, hatte der damalige ADAC-Vizepräsident Horst-Werner Leukel das außergewöhnliche Engagement des praktizierenden Arztes Hans-Werner Feder beim Fachsymposium “Luftrettung in Hessen“ an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Frankfurt am Main in seinem Referat “Hessen vorn“ lobend erwähnt:

Bereits 1967 engagierte sich der ADAC mit dem praktischen Arzt, Dr. [sic! er hat nie promoviert!] Hans-Werner Feder, für neue Wege zur Unfallrettung im Main-Rhein-Gebiet [sic!]. In einem Feldversuch wurde damals mit einem zweisitzigen Kleinhubschrauber der rasche Transport des Notarztes zum Verunglückten erprobt. Dieser Kurzzeittest gab mit einen entscheidenden Anstoß für den ab 1968 vom ADAC systematisch verfolgten Ausbau [sic! gemeint war wohl “Aufbau“] eines leistungsfähigen Luftrettungsnetzes in Deutschland.“

Auch der damalige Vorsitzende des ADAC Hessen-Thüringen e. V. und heutige Ehrenvorsitzende, Dr. Erhard Oehm, hatte in seiner Eröffnungsrede gesagt,

dass hier in Hessen vor nunmehr 27 Jahren ein erster Versuch mit finanzieller Unterstützung des ADAC Hessen stattgefunden hat“

- meinte aber anschließend, dass

[d]as eigentliche Hubschrauber-Rettungssystem in der Bundesrepublik [...] auf eine Initiative des ADAC zurück [geht], der 1968 mit einem gemieteten Helikopter einen Modellversuch gestartet hat. Als eines der wichtigsten Ergebnise stellte sich die Notwendigkeit heraus, dass der Rettungshubschrauber an einem Krankenhaus stationiert sein muss, um stets einsatzbereit sein zu können.“

Schon damals also wurde das Engagement des Arztes aus Ober-Mörlen kleingeredet.

Der Feldversuch von 1967

Hans-Werner Feder wurde als niedergelassener Arzt immer wieder mit Verkehrsunfällen auf der nahen Autobahn konfrontiert. An manchen Wochenenden stand sein Telefon nicht still. Fuhr er zunächst mit seinem Privat-Pkw zum Notfallort - und stand oftmals mitten im Stau, entschied er sich zunächst dem örtlichen Rotkreuz-Ortsverein beizutreten und einen ausrangierten Opel P3 als “Notarzt-Einsatzfahrzeug“ einzusetzen. Aber auch damit blieb sein Einsatzradius arg eingeschränkt. Doch was tun?

Auf Grund meiner guten Beziehungen zum Hessischen Innenministerium war es mir möglich, zum Oster[-] und Pfingstreiseverkehr 1967 mit einem Polizeihubschrauber mitzufliegen. Wie erwartet, lassen sich Polizeiaufgaben und Arzteinsatz bei Unfällen nicht koordinieren. Waren wir in Südhessen und ein Unfall ereignete sich bei Limburg, war die Entfernung zu groß, oder es war nicht mehr genug Sprit im Tank, oder die Querung des Flughafens Ffm war nicht zeitgerecht möglich, etc. Deshalb wurden Versuche in dieser Richtung von mir nicht mehr weiter verfolgt. Es galt daher, den Hubschrauber nur nach medizinischen Erfordernissen in einem vorher festgelegten Einsatzbereich zu erproben (wie von mir im August 1967 durchgeführt).“

Nun musste also ein eigener Hubschrauber her, der ausschließlich für die Notfallrettung zur Verfügung stand. In Reichelsheim in der Wetterau lernte Feder einen Piloten aus Südhessen kennen, der regelmäßig mit seiner Brantly zwischen Egelsbach und Reichelsheim pendelte. Dieser erklärte sich nach kurzem Zögern bereit, Feder bei seinem Feldversuch zu unterstützen.

Am 12. August 1967 titelte die “Hessische Allgemeine“: “Unfallhilfe aus der Luft. Not-Arzt-Hubschrauber über Hessen im Einsatz“. Einen Tag zuvor, am Freitag, den 11. August 1967 hatten ADAC und DRK-Landesverband Hessen einen zunächst auf drei Wochen befristeten Modellversuch mit einem “Not-Arzt-Hubschrauber“ gestartet - an Bord der in Ober-Mörlen/Friedberg (heute Wetteraukreis) wohnende Arzt Hans-Werner Feder, von dem die Idee des fliegenden Doktors stammte, und ein Pilot. Die zweisitzige Maschine vom Typ Brantly war auf dem Flugplatz in Anspach (Kreis Usingen, heute Hochtaunuskreis) stationiert.

52 Einsätze wurden in den drei Monaten geflogen

52 Einsätze wurden in den drei Monaten geflogen

Foto: Archivfoto Werner Wolfsfellner MedizinVerlag München

Der Hubschrauber mit dem Funkrufnamen “Rotkreuz Friedberg 50“ war bis zum 27. August 1967 täglich von 7 bis 19 Uhr im Einsatz. Ausgestattet mit einem FuG 7b vom Roten Kreuz und einem Notarztkoffer vom Hessischen Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen, wurde der “fliegende Doktor“ Feder in den drei Wochen insgesamt 52-mal von der Polizei angefordert. 32 Leichtverletzte, 17 mittelschwer und 19 Schwer- und Schwerstverletzte konnten von Feder versorgt werden. Fünf Verletzte verstarben trotz der Bemühungen Feders in den Zielkrankenhäusern und drei Personen fand Feder bereits an der Unfallstelle tot vor. Auch waren 12 Fehleinsätze zu verzeichnen, die auf Orientierungsschwierigkeiten, Fehlalarme, nicht rechtzeitige Benachrichtigung, ungenaue Zielansprachen und in einem Fall die Witterung zurückzuführen waren. Die “Pressedienstmitteilung“ des ADAC-Gau Hessen e. V. vom 5. September 1967 erwähnte zudem, dass “ein Hubschrauber die Aufgaben von 10 Notarztwagen“ übernehmen könne und plädierte “mit Nachdruck für die Einführung eines Arzt-Hubschraubers“. Einen Anfang sollte man unverzüglich in den Ballungsräumen machen.

Die für den Modellversuch erforderlichen Geldmittel kamen vom ADAC-Gau Hessen e. V., von der Deutschen Krankenversicherungs AG und dem Verband der Lebensversicherungsunternehmen e. V. Weitere angefragte Unternehmen, unter anderem auch die Allianz AG, schlugen das Angebot zur Unterstützung seinerzeit aus. Verwaltet wurde die eingegangenen Spenden in Höhe von 10.500 D-Mark vom DRK-Landesverband Hessen e. V.

Der ADAC e. V. führte ein Jahr später einen eigenen Versuch in München durch - allerdings mit einer gecharteten Bell 206 A “Jet Ranger“ - und Feder geriet ins Vergessen. Dies lag wohl nicht zuletzt daran, dass sich der engagierte Arzt kritisch mit dem Münchner Hubschrauberversuch auseinandersetzte und dem ADAC nachweisen konnte, dass dieser die Kosten des Hubschrauber-Einsatzes künstlich hochgerechnet hatte.

Was ist von Feders Modellversuch geblieben?

Die Anregungen des unter anderem mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland und dem Ehrenbrief des Landes Hessen ausgezeichneten Arztes Hans-Werner Feder waren zahlreich - und sie haben noch heute, rund 40 Jahre nach seinem Feldversuch, ihre Daseinsberechtigung.

So haben die Österreicher ihre ab dem Jahr 1983 in Dienst gestellten Rettungstransporthubschrauber (RTH) als Not-Arzt-Hubschrauber (NAH) bezeichnet, und diese Bezeichnung ist auch heute noch bei unseren südöstlichen Nachbarn geläufig. Ob Herrn Feders Feldversuch dabei Pate stand, konnte bislang nicht geklärt werden, es liegt aber nahe, da nicht der schnelle Transport des Patienten in die geeignete Klinik im Vordergrund stand und steht, sondern zunächst einmal das Verbringen des Notarztes (und des HEMS TC) zum Notfallpatienten. Erst dieser konnte in vielen Fällen den Patienten transportfähig machen.

Das Gleiche gilt im Übrigen für die Notarzteinsatzhubschrauber (NEH) in Kessin (Funkrufname “Rettung Doberan 029/01/82-1“, Hubschraubertyp Robinson R44, im Dienst seit 01.09.1995), Suhl (“Christoph 60“, Robinson R22, 01.05.1993-31.12.1993) und Pinneberg (“KUNO SH-01“, BO 105 CB-4, 15.07.2011-15.10.2011).

Die Rettungshubschrauber fliegen auch heute noch in der Regel von 7 Uhr bzw. Sunrise bis Sunset - genau wie seinerzeit der Anspacher Heli.

Auch der 15-Minuten-Bereich, den Feder bereits im Januar 1967 gegenüber des zuständigen Polizeibezirkskommissars in Egelsbach einforderte, hat noch heute seine Gültigkeit - in Form der so genannten Hilfsfrist. In der Pressemitteilung des ADAC-Gau Hessen e. V. vom 10. August 1967 heißt es dazu:

Die Praxis aber zeigt, dass erste Voraussetzung für wirksame Hilfe nach Unfällen stets das Eintreffen eines geschulten Arztes innerhalb von 10 bis maximal 15 Minuten ist. [...] DRK und ADAC sind schon jetzt davon überzeugt, dass durch den Versuch Feders ein weiterer Schritt zur Verbesserung des Unfallrettungsdienstes getan wird.“

Im Oktober 2007 besuchte Verleger Werner Wolfsfellner den Arzt und Luftrettungspionier Hans-Werner Feder in Kassel

Im Oktober 2007 besuchte Verleger Werner Wolfsfellner den Arzt und Luftrettungspionier Hans-Werner Feder in Kassel

Foto: Werner Wolfsfellner MedizinVerlag München

Autor und rth.info-Redaktion gratulieren dem Jubilar herzlichst und wünschen ihm alles Gute bei weiterhin bester Gesundheit. Mögen seine Anregungen und Erfahrungen auch zukünftigen Generationen erhalten bleiben.

Nachrichten zu diesem Thema im Archiv

Autor

Wir danken für Unterstützung:
Werner Wolfsfellner vom gleichnamigen MedizinVerlag in München für die Zurverfügungstellung historischer Unterlagen, Hans-Werner Feder für seine Bereitschaft, dem Autor mehrere Telefoninterviews zu geben
Quelle(n):
Hans-Werner Feder: Unfallrettung unter Einsatz von Hubschraubern. Bericht über einen Modellversuch. [ohne Ort, ohne Jahrgang]; Fachsymposium “Luftrettung in Hessen“ - Tagungsbericht. München (Werner Wolfsfellner MedizinVerlag) 1995; und andere

Info-Abschnitt überspringen

Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

Alle Fachbegriffe...