SG Stuttgart: "Tätigkeit als HCM ist selbstständige Tätigkeit"
01.09.2012
Stuttgart (BWÜ) :: Bereits am 17. August berichteten verschiedene online-Medien über ein Urteil des Sozialgerichtes (SG) Stuttgart vom 14. April 2012 (Az.: S 17 R-3913/10), von dem kurz zuvor eine kurze Zusammenfassung online gestellt worden war. Tenor dieser Veröffentlichungen: Als Freelancer nebenberuflich in der Luftrettung tätige Rettungsassistenten üben "eine selbstständige, nicht versicherungspflichtige Tätigkeit" aus.
Nachdem rth.info nun die Entscheidung des SG Stuttgart mitsamt Begründung vorliegt, möchten auch wir hierüber berichten. Die 17. Kammer des SG Stuttgart hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2012 noch am gleichen Tag geurteilt, dass "[der HCM] bei seiner Tätigkeit für die Klägerin seit dem 01.01.2006 nicht der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SBG V), der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 i. V. m. S. 1 SGB XI), der Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III) unterliegt."
Im Klartext heißt das, dass weder Auftraggeber (in diesem Fall die DRF Stiftung Luftrettung gemeinnützige AG mit Sitz in Filderstadt) noch Honorarkraft für die Nebentätigkeiten als HCM Abgaben zur Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) abführen müssen. Die Sozialversicherungsträger ("Beklagte") hatten am 24. November 2009 einen gegenteiligen Bescheid gegen die DRF Luftrettung ("Klägerin") erlassen, wogegen diese wiederum Klage beim zuständigen SG Stuttgart einreichte. Dieser wurde mit o. g. Urteil vollumfänglich stattgegeben und der o. g. Bescheid in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 2. März 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2010 aufgehoben.
Neben dem erstinstanzlichen Urteil, dessen Verfahrenskosten die Beklagte zu tragen und gegen das sie Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt hat (Az.: L 5 R-2329/12) - rth.info wird zu gegebener Zeit auch über dieses Verfahren und dessen Ausgang berichten -, sind insbesondere die Entscheidungsbegründung und der so genannte Tatbestand bemerkenswert.
Der beigeladene HCM, der am 24. Juni 2009 seinen sozialversicherungsrechtlichen Status festgestellt haben wollte, gab vor Gericht auf Nachfrage der Beklagten an, "dass er sich im Internet auf dem Dienstplan zu ihm passenden Tagen und Zeiten eintrage." Dabei sei er frei in seiner Entscheidung, wann bzw. ob er in seiner Freizeit seinen nebenberuflichen Dienst als HCM verrichte. "Er sei durchschnittlich drei Tage im Monat im Bereitschaftsdienst tätig." Zwar würden ihm für seine Tätigkeit als HCM Hubschrauber, medizinische Geräte, Medikamente, Navigationsmittel etc. vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Teile der Arbeitskleidung sowie Arbeitsmittel, Fahrtkosten zu Fortbildungen, Fortbildungskosten, Fahrtkosten zum Hubschrauberstandort müsse er aber selbst begleichen, um dem Anbieter zur Verfügung zu stehen. Dieser "wähle Teile seiner Besatzung auf Basis der vorliegenden Online-Angebote auch anderer freiberuflich tätiger Mitbewerber aus", so dass sich somit keine Garantie für die Annahme seines Angebots ergebe. "Sollte er erkranken, liege das Verdienstausfallrisiko allein bei ihm." Er trage mithin also "im erhöhten Maße" das unternehmerische Risiko. Im Dienst habe er "jedoch keine Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einzuhalten." Ihm würden lediglich Weisungen hinsichtlich der Ausführung seiner Tätigkeit erteilt.
Und weiter heißt es in der Urteilsbegründung:
"Die Klägerin zahlt dem [HCM] weder die erforderliche Fortbildung zum Erwerb der notwendigen Kenntnisse noch zur Aufrechterhaltung der Flugtauglichkeit. Insofern trägt der [HCM] auch nach Überzeugung der Kammer ein wesentliches Unternehmerrisiko, da er selbst für die Aufrechterhaltung der fachlichen Qualifikation und Flugtauglichkeit verantwortlich ist. Zudem trägt [der HCM] auch das Risiko des Ausfalls seines Hinzuverdienstes bei Nichtübernahme einer Schicht oder Nichtantritt einer Schicht."Gegen eine Unternehmereigenschaft spreche auch nicht die pauschale Vergütung pro Einsatzstunde.
Ob das von der DRF Luftrettung angewandte Geschäftsmodell Bestand haben wird, wird der weitere Fortgang des Verfahrens zeigen.
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