Einführende Worte
Der Rettungsdienst Deutschlands wird seit Mitte der 1960er Jahre durch mit
Notärzten besetzte Rettungsfahrzeuge ergänzt. Die dort tätigen
Notärzte leiten vor Ort lebensrettende Maßnahmen ein, stellen
die generelle Transportfähigkeit des Patienten her und stellen eine
erste Diagnose, wonach symptomorientiert eine individuelle Behandlung des
Patienten erfolgt. Diese wird in der Klinik weitergeführt. Auch die
Bundeswehr engagiert sich im deutschen Rettungsdienst mit eigenen Notarztwagen
(NAW). Als Synergieeffekt stellt sie ihr medizinisches Personal für
den Rettungsdienst zur Verfügung, wo es gefordert und weitergebildet
wird. So kann ein hoher Ausbildungsstand der Bundeswehrmediziner garantiert
werden.
Der Hamburger Bundeswehr-NAW
Die Bundeswehr hat einen NAW außerhalb des SAR- Dienstes
den Hamburger zivilen Rettungskräften zur Verfügung gestellt.
Für die medizinische Notfallrettung stand er bis 2004 tagsüber
(07:30h bis 20:00h) zur Verfügung. Seit diesem Jahr wird der Notarztwagen
mit dem Funkrufnamen "NAW 21 B" im Schichtdienst 24h am Tag einsatzbereit
gehalten. Wie der Hubschrauber kann allerdings auch der NAW jederzeit von
der Bundeswehr aus dem Einsatzgeschehen zurückgezogen werden und sich
Sonderaufgaben und -aufträgen widmen.

NAW
21 B zusammen mit dem Hubschrauber auf dem Landeplatz
(Foto: Harald Rieger | www.sar71.de) |
Alarmierung und Disposition
Der NAW wird von der Einsatzzentrale (FEZ/
RLST) der Feuerwehr Hamburg wie jedes feuerwehreigene Notarztfahrzeug disponiert.
Der Bundeswehr- NAW hat seinen eigenen Einsatzbereich (vor allem die Stadtteile
Hamburg- Wandsbek, Barmbek und Sasel). Dort stellt er vorrangig die notärztliche
Versorgung sicher. Die Besatzung wird, wie alle anderen Notarzteinsatzfahrzeuge
(NEF) in Hamburg auch über DME alarmiert. Dieses kleine Gerät
(auch "Piepser" oder Pager genannt), muss von der Besatzung ständig
am Körper getragen werden. Im Einsatzfall gibt es einen Alarmsignal
von sich, des weiteren stehen kurze Informationen zum kommenden Einsatz
auf dem Tableau. Ein Drucker spuckt parallel dazu die Alarmdepesche aus
(Eilfax mit Informationen über Einsatzart, Einsatzort, usw.), so dass
kurze Zeitspannen zwischen der Alarmierung und dem Ausrücken garantiert
werden können.

Der
Vorgänger des zur Zeit eingesetzten NAW, ebenfalls ein Mercedes
Kastenwagen mit geräumigem Innenraum.
(Foto: Frank Bernau) |
Weiterhin ein "großes rotes Auto"
Nach wie vor hält die Bundeswehr einen großen Notarztwagen für
den Rettungsdienst in Hamburg vor. Die Feuerwehr Hamburg hat ihr Notarztsystem
Ende der 1990er Jahre umgestellt auf kleinere Fahrzeuge, genant NEF. Sie
bieten keine eigene Transportmöglichkeit für einen Patienten sondern
arbeiten stets zusammen mit einem Rettungswagen. Der Bundeswehr-NAW ist
mittlerweile Hamburgweit der einzige NAW, welcher vorrangig für die
primäre Notfallrettung gedacht ist. Mehrere NAW der Hilfsorganisationen
(ASB, DRK) werden ebenfalls betrieben, sind aber vorrangig für interklinische
Patienten-Intensivverlegungen gedacht.

Der
NAW vor dem Haus 22. (Foto: Frank Bernau) |
Die Vorteile des inzwischen weit verbreiteten NEF-Systems sind folgende:
- schnelleres, kleineres, wendigeres Fahrzeug
- geringere Anschaffungs-, und Instandhaltungskosten
- geringere Kosten durch Reduzierung der bisherigen 3-Mann-Crew um einen
Rettungssanitäter oder Rettungsassistenten.
Die Vorteile des NAW-Systems lauten wie folgt:
- geräumigeres Fahrzeug
- sicheres und im Straßenverkehr auffälliges Fahrzeug
- Transport von liegenden Patienten möglich
- Ein weiteres Teammitglied steht zur Verfügung
- Intensivverlegungen sind ohne zusätzlichen Einsatz eines Rettungswagens
möglich.

Notfallrespirator
Dräger Oxylog 2000. (Foto: Patrick Permien
| www.sar71.de) |
Fahrzeugdaten
Trägerfahrzeug: Mercedes-Benz Vario Kastenwagen
Typ: 614D KA 4X2
Einsatzart: RTW/KTW
Radstand: 3.700 mm
Laderaum: ca. 4.050/ 1.900/ 1.930 mm (L/B/H innen)
Gesamtgewicht: 5.990 kg
Motorleistung: 100 kW (136 PS)

NAW
21 B von innen (Foto: Patrick Permien | www.sar71.de) |
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Bemerkenswerte Ausrüstung an Bord
Außerdem ist das Fahrzeug mit diversen Sonderausstattungen ausgerüstet.
Beispielsweise:
- Dach hoch (D02)
- Batterie(n) verstärkt (E21)
- Blinkleuchten zusätzlich hinten auf Dach (L84)
- Einstiegs-Schiebetür rechts mit Schiebefenster (T30)
- Rückwandtür zweiflügelig 270 Grad mit Fenster (W55)
- Rettungswagen (Z21)
- Motorvorwärmung für MB Vario
- Bordnavigationssystem auf GPS Basis für Stadt Hamburg und Umgebung
- Motorweiterlaufschaltung
- Feuerlöscher (gehaltert)
- Standheizung mit Frischluft-Ansaugung und Raumthermostat
- Schreibplatte vor Beifahrer
- ...

Alarm
für den Notarztwagen. (Foto: Harald Rieger
| www.sar71.de) |
Notarztwagen-Station
Der NAW 21 B ist ähnlich
ausgestattet wie die kleineren Notarzteinsatzfahrzeuge
der Feuerwehr Hamburg. Im übrigen werden keine Koffer verwendet sondern
die Spezial- Rucksäcke des Rettungszentrums, die besonders für
den Rettungshubschrauber vorgehalten werden. Die übliche Ausstattung
mit Medikamenten, Beatmungsgeräten, Tubus, und anderem stellt das Basis-Equipment
und sorgt für optimale Versorgungsmöglichkeiten für den Patienten
am Unfallort.
Da das neue Fahrzeug u.a. auch von zwei Rettungsassistenten des Rettungszentrums
mit entwickelt wurde, ist die Arbeitsatmosphäre während eines
Einsatzes sehr gut. Sehr viele Geräte können mit einem Handgriff
aus dem Fahrzeug entnommen werden und beispielsweise an die Trage montiert
werden. Des weiteren laufen diverse Kabel jetzt über der Trage in einen
speziell dafür entwickelten Teil des Daches und können an der
Seite des NAW's wieder angeschlossen bzw. benutzt werden. Vorher liefen
die lebenswichtigen Kabel meist mitten durch das Fahrzeug, was eine hohe
Stolpergefahr während der Fahrt und somit ein Risiko für den Patienten
darstellte.

Der
Corpuls 08/16 dient als Elektrokardiogramm und Defibrillator.
(Foto: Patrick Permien | www.sar71.de) |
Medizinische Ausstattung:
- Überwachungsmonitor
- Defibrillator Corpuls 08/16 mit:
- EKG
- 12-Pol EKG
- Capnometrie
- Sauerstoffsättigung SPO2
- invasive RR-Messung
- noninvasive RR-Messung
- Schrittmacher
- Respirator mit O2-Inhalabor (Life-Base III)
- Beatmungsgerät Dräger Oxylog 2000
- Braun Perfusoren (4x) als Spritzenpumpen
- elektr. Absaugpumpe
- Rettungsrucksack
- Kinderkoffer
- Vakuumschienen (1 Satz)
- Vakuummatratze
- Schaufeltrage

Respirator
Life-Base III wandseitig montiert im NAW-Innenraum.
(Foto: Patrick Permien | www.sar71.de) |
Einsätze im Vergleich zum Hubschrauber SAR 71
Die Einsatzzahlen des NAW
decken sich fast mit denen des Hubschraubers, wobei jedoch die Statistik
zeigt, dass der Notarztwagen mehr oder weniger konstante Einsatzzahlen (um
2000/Jahr) fährt, während der SAR Hamburg 71 nach ständig
wachsenden Einsatzzahlen nun wieder weniger als in den Jahren 1999 und 2000
(jeweils über 2.000 Einsätze/Jahr) fliegt. So liegen die jährlichen
Einsatzzahlen des NAW wieder deutlicher über denen des SAR 71. In den
12,5 Stunden Einsatzbereitschaft waren acht Einsätze pro Tag keine
Seltenheit. Für die kommenden Jahre ist durch die Ausweitung der NAW-Bereitschaft
in den Nachtstunden ein immenser Einsatzzuwachs zu erwarten.

Einsatz
für den Notarztwagen zusammen mit den Feuerwehr-Kollegen der
Wache 23
bei einem Unfall mit dem Stichwort "Person eingeklemmt"
vmtl. nach einem illegalen Autorennen. (Foto:
Florian Büh | www.rtvp.de) |
Im August 2000 fuhr der Notarztwagen seinen 250.000 Fahrkilometer auf den
Tacho. Ein nicht unerheblicher Teil davon hat diversen Hamburgern das Leben
gerettet.
Am 10.05.2004 wurde der 100.000ste Einsatz am Rettungszentrum Hamburg (Einsätze
Hubschrauber und Notarztwagen) verzeichnet. Von den 100.000 Einsätzen
entfielen 53.890 auf den Notarztwagen NAW 21 B, die übrigen flog SAR
Hamburg 71, der Rettungshubschrauber.
Wie geschrieben, wird der NAW von drei Personen besetzt. Die Besatzung stellt
das Rettungszentrum des Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. Im Wechsel fliegt
das Personal auf dem Rettungshubschrauber oder „bleibt am Boden“
und schiebt auf dem NAW Dienst.

NAW
21 B einsatzbereit auf "standby". Im Hintergrund zu sehen
ist das Gebäude, in dem die Crew untergebracht ist.
(Foto: Patrick Permien | www.sar71.de) |
Selbstverständlich ist der Wissensstand und die Qualifikation des Personals
sehr hoch, da zu der bei den Rettungsassistenten zwei (bald drei) Jahre
dauernden Ausbildung die tägliche Einsätze das Wissen und die
Erfahrung des Rettungsassistenten fordern. NAW- und RTH-
Besatzung teilen sich die zwei Aufenthaltsräume des Rettungszentrums.
Da keine feste Einteilung von NAW- und RTH- Besatzung existiert, kennt jeder
jeden, ist mit jedem schon mal „unterwegs gewesen“. Allgemein
herrscht im Rettungszentrum eine sehr lockere, angenehme Atmosphäre!
Für noch mehr Leben im Rettungszentrum sorgen indes seit April 2005
die Besatzungen der neu eingerichteten "Rettungswache
Hinschenfelde" der Berufsfeuerwehr. Sie hat seither am Rettungszentrum
der Bundeswehr einen ihrer Rettungswagen stationiert. |