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Schweriner Pionierarbeit (Teil 1)

10.11.2004

In dieser Reportagenserie sind erschienen:

Pionierarbeit in der Sekundärluftrettung des westlichen Mecklenburg-Vorpommerns leistete von 1993 bis 1995 eine Institution in Schwerin, deren dortiges Engagement heute z.T. kaum noch bekannt ist. rth.info liegen jetzt schöne, exklusive Bilder aus dieser Zeit vor, und mit einem kurzen, reich bebilderten Rückblick möchten wir Ihnen nun den AHS Schwerin vorstellen – aus der Zeit vor der Übernahme durch die Firma FJS Helicopter!

Unser sehr herzlicher Dank gilt Sascha Zelaskowski: Er war damals dort Crew-Mitglied; seine Fotos und Informationen haben diese Fotoreportage erst möglich gemacht.

Um das Verständnis bzgl. der Station Schwerin zu erhöhen, wollen wir eingangs kurz schildern, wie es zu deren Gründung kam.

Ausgangslage

Schweriner Bell 205 "D-HOEB" in der aufgehenden Sonne

Schweriner Bell 205 "D-HOEB" in der aufgehenden Sonne

Foto: Sascha Zelaskowski

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Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung war es spätestens ab 1990 für notwendig erachtet worden, auch in den neu zum Bundesgebiet hinzugekommenen Ländern Rettungshubschrauber-Stationen zu errichten. Dabei ging es in erster Linie um Luftrettungsmittel, welche die primäre Notfallrettung als schneller Notarztzubringer gewährleisten sollten.

Luftverlastete interklinische Transporte von Intensivpatienten, also die Sekundärluftrettung, war zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung noch eine recht junge Erscheinung, die teilweise immer noch nicht als vollwertiger Teil des Systems der Rettungsfiegerei verstanden wurde. So ergab sich im Osten Deutschlands die Situation, dass bei Bedarf Primär-Rettungshubschrauber sekundäre Patienten-Verlegungsflüge übernahmen. Bedingt durch deren potenziell längere Dauer verringerte sich so die Bereitschaftszeit der Hubschrauber für ihre eigentliche Aufgabe in der präklinischen Notfallrettung.

Alle Betreiber haben diese Problematik recht schnell erkannt. Wie ab Mitte der 1980er Jahre in Westdeutschland wurden nun auch in den neuen Bundesländern zahlreiche Ambulanz- und Intensivtransporthubschrauber (ITH) in Dienst gestellt. Eine Norm für ITH gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Schwerin: TeutoAir ergänzt die militärische Luftrettung

In Schwerin hatte das Hubschraubertransportgeschwader 64 aus dem niedersächsischen Ahlhorn schon 1990 den Flugbetrieb an einem Rettungszentrum (RZ) des Such- und Rettungsdienstes (SAR) übernommen: An den ostdeutschen RZ flog bis Sommer 1991 eine Mi 2 aus ehemaligen NVA-Beständen, dann wurden diese durch Bell UH-1D abgelöst.

1992 stand die Bell 205 "D-HOEB" noch in Bielefeld-Windelsbleiche, noch ohne ihre spätere Tür-Aufschrift "NOTARZT"

1992 stand die Bell 205 "D-HOEB" noch in Bielefeld-Windelsbleiche, noch ohne ihre spätere Tür-Aufschrift "NOTARZT"

Foto: Sascha Zelaskowski

Eine Station der Primärrettung stand in Schwerin also bereit und man witterte dort bereits einen möglichen Kampf um Einsätze, als sich 1993 ankündigte, dass die Firma TeutoAir in Kooperation mit der BIEKRA in Schwerin einen Ambulanzhubschrauber für Sekundär-Einsätze implementieren wollte. Dies machten die westdeutschen Betreiber auch wahr und stationierten an einer sehr provisorisch eingerichteten Station die erste Bell 205, welche in Deutschland von einem "privaten Anbieter" für die Luftrettung genutzt wurde. Ihre Kennung lautete D-HOEB.

Cockpit der Bell 205 "D-HOEB"

Cockpit der Bell 205 "D-HOEB"

Foto: Sascha Zelaskowski

Der anfängliche Flugbetrieb gestaltete sich sehr schwierig, nicht zuletzt weil keine Möglichkeit zum Tanken gegeben war und so ein Tanklaster für das refueling herhalten musste. Die Unterbringung von Mensch und Technik entsprach auch nicht den allerneuesten Standards. Mit der Zeit ergaben sich diesbezüglich jedoch Verbesserungen.

Der Ambulanzhubschrauber bewährte sich als Teil der Luftrettung und war auch schnell als Teil des Rettungsdienstes akzeptiert. Primäreinsätze flog die Bell 205, sofern der Bundeswehr- Rettungshubschrauber schon anderweitig im Einsatz war. Ansonsten bestimmten Verlegungsflüge das Einsatzgeschehen.

Die Notfallmedizintechnik an Bord

Die medizinische Ausrüstung ging mit der Zeit. So führte man als eine der ersten Stationen seitens der TeutoAir in Schwerin den Notfallrespirator Oxylog 2000 ein. Dieses Beatmungsgerät setzte sich in den Folgejahren quasi flächendeckend in Boden- und Luftrettung durch. Zuvor hatte man in Schwerin ein Oxylog 1000 genutzt.

Ein Teil der Innenausstattung der Kabine in der Bell 205 D-HOEB

Ein Teil der Innenausstattung der Kabine in der Bell 205 D-HOEB

Foto: Sascha Zelaskowski

Außerdem bildeten eine Weinmann-Beatmungseinheit und ein Lifepak- EKG/ Defibrillator wichtige Bestandteile der Ausrüstung. Die geräumige Zelle der Bell 205 ließ eine umfangreiche medizinische Ausstattung und eine optimale Patientenversorgung zu. Die Unterbringung der Geräte war dabei ähnlich ausgeführt wie es noch heute bei den Bell 212 in Eutin und Güstrow der Fall ist: Die Ausrüstung wurde zwischen Cockpit und Kabine in eine Art Gitter eingehängt. Die Unterbringung der Trage in Schwerin war auch sehr ähnlich der Hubschrauber von SAR-Dienst und Katastrophenschutz.

Das damals weit verbreitete Baumuster "Huey", deren zivile Version ja auch in Schwerin flog, wurde jedoch schließlich den Krankenkassen in den Betriebskosten zu teuer. Diese verlangten den Einsatz eines kleineren, weniger geräumigen Hubschraubers anstelle der Bell 205. Deswegen stellte TeutoAir in der Folgezeit auf eine Bell 206L um. Der Nachfolger der Schweriner Bell 205 hatte das Luftfahrzeug-Kennzeichen D-HHMM. Er wurde eingesetzt, bis 1995 schließlich die Firma FJS Helicopter den Ambulanzhubschrauber-Standort Schwerin mit eigenen Mitteln übernahm.

TeutoAir verlässt Schwerin; FJS übernimmt

Diese Umstellung des Standort-Betreibers stellte sich für die bisherigen Crews sehr bedauerlich dar aufgrund der guten Kontakte zum dortigen Rettungsdienst die man aufzubauen verstanden hatte. Die FJS Helicopter nutzt in Schwerin-Pinnow heute eine kleine Maschine vom Typ AS 350. Sie wird üblicherweise für die kommerziellen Zwecke der FJS geflogen und nur im Bedarfsfall mit medizinischer Ausrüstung versehen in den Ambulanzflug integriert. Als Teil der öffentlich-rechtliche Luftrettung ist die Station nicht anerkannt, viele Fachgremien sehen auch die luftgebundenen Patienten-Verlegungen als sinnlos an, wenn keine deutliche notfallmedizinische Indikaton dafür vorliegt.

Öffentlich-rechtliche Luftrettung geht nach Neustrelitz

Die öffentlich-rechtliche Luftrettung zog sich im Juni 1996 aus Schwerin zurück; zu diesem Zeitpunkt verlegte die Bundeswehr ihren Rettungshubschrauber nach Neustrelitz zur dortigen Bundesgrenzschutz-Liegenschaft. Der ab Herbst 1993 vom Lufttransportgeschwader 63 übernommene Helikopter spielt seither für die Schweriner Luftrettung quasi keine Rolle mehr.

Heutige Versorgungslage

Ergibt sich heute Bedarf für einen Rettungshubschrauber-Einsatz in oder bei Schwerin und der Ambulanzhubschrauber kann nicht eingesetzt werden, so muss einer der beiden Hamburger Rettungshubschrauber oder die Bell 212 aus Güstrow bzw. Eutin herhalten.

Fliegt fast nie bis Schwerin: Christoph 19 aus Uelzen - er ist zu weit entfernt stationiert (Foto nachträglich ergänzt)

Fliegt fast nie bis Schwerin: Christoph 19 aus Uelzen - er ist zu weit entfernt stationiert (Foto nachträglich ergänzt)

Foto: Harald Rieger

"Christoph 19" aus Uelzen hingegen spielt praktisch 'nur' südlich von Schwerin eine Rolle, 2002 / 2003 wurde er nicht nach Schwerin bestellt.

Möglicherweise werden Schwerin und Umgebung in den kommenden Jahren doch wieder besser an das Luftrettungsnetz angeschlossen sein, wenn in dem lückenhaft aus der Luft versorgten Gebiet ein neues Luftrettungszentrum implementiert werden sollte. Dies war in der Vergangenheit mehrfach in der Diskussion, es scheint aber derzeit kaum ernsthafte Bestrebungen zu geben, das angedachte Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Fotos und viele Basis-Informationen stammen von Sascha Zelaskowski.

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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