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DRF-Luftrettung distanziert sich von Björn-Steiger-Stiftung

10.12.2014

“Stiftung will Luftretter werden“ titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Ende November. Neben dem ADAC und der DRF-Luftrettung wolle, so die FAZ in ihrer Printausgabe vom 20.11.2014, “in Kürze die Björn-Steiger-Stiftung in Stuttgart das Geschäft mit Noteinsätzen übernehmen“. Dazu plane “die gemeinnützige Organisation, in Kürze zwei Flugspezialisten zu kaufen und zu betreiben. Mit ihrer eigenen Flotte an Hubschraubern und Rettungsflugzeugen wollen sich die Schwaben in öffentlichen Ausschreibungen für neue Rettungsstationen bewerben und so ihren Einstieg in den Markt forcieren“, zitierte die FAZ mit dem Vorgang betraute Personen.

Das Tischtuch zwischen der DRF-Luftrettung und der Björn-Steiger-Stiftung scheint endgültig zerschnitten (Symbolfoto)

Das Tischtuch zwischen der DRF-Luftrettung und der Björn-Steiger-Stiftung scheint endgültig zerschnitten (Symbolfoto)

Foto: Jörn Fries

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In dem FAZ-Beitrag wurden als potenzielle Übernahmeaspiranten die Firmen Northern Helicopter (NHC) aus Emden und B-Air aus Stuttgart genannt. Während NHC bereits seit längerem über Erfahrungen im Offshore-Bereich verfügt, ist B-Air im Flugzeugcharterbereich tätig. Im Online-Magazin Rettungsdienst.de, das am 20.11.2014 als erstes Fachmagazin aus der so genannten “Blaulichtszene“ darüber berichtete, hieß es, dass “Insider [...] auch Unternehmen wie Wiking Helicopter, Rotorflug, Heli Aviation oder gar die DRF-Luftrettung [nennen].“ Die genannten Unternehmen wollten sich allerdings zu den Übernahmegerüchten bislang nicht äußern - mit Ausnahme der DRF-Luftrettung, deren langjähriger Vorsitzender Dr. med. h. c. Siegried Steiger vier Jahrzehnte lang der Björn-Steiger-Stiftung als Präsident vorstand (von 1969 bis 2009). Dessen Sohn Pierre-Enric Steiger übernahm im April 2009 das Präsidentenamt der Björn-Steiger-Stiftung von seinem Vater. “Nicht von ungefähr ist die Expertise der Schwaben auch beim Aufbau eines Luftrettungsdienstes in China gefragt. Ein Prestigeprojekt, das zurzeit vom Bundesministerium der Gesundheit gefördert wird und im Reich der Mitte langfristige Einnahmen verspricht“, war des Weiteren im FAZ-Artikel zu lesen.

Diese Nachricht, die sich im Laufe des Donnerstages (20.11.2014) in der Retterszene wie ein Lauffeuer verbreitete, sorgte naturgemäß nicht nur bei der ADAC-Luftrettung, sondern insbesondere auch bei der DRF-Luftrettung für Unruhe. Denn die DRF-Luftrettung hatte erst kurz zuvor weitere Restrukturierungsmaßnahmen beschlossen. So stellte sie im September ihr Förderermagazin “Luftrettung“ als Printausgabe ein und kündigte an, ihre Förderer künftig per E-Mail über Aktuelles und Wissenswertes rund um die DRF-Luftrettung zu informieren (rth.info berichtete), ein angesichts der Altersstruktur ihrer langjährigen Unterstützer durchaus gewagtes Unterfangen.

Am Montag, den 01.12.2014, genau zwei Wochen vor dem 85sten Geburtstag von Dr. med. h. c. Siegfried Steiger, erreichten zahlreiche Redaktionen eine Pressemitteilung der DRF Luftrettung, über deren Veröffentlichung man sich seitens der DRFL “sehr freuen“ würde. In der einseitigen Pressemitteilung informierte die DRF Luftrettung mit Sitz in Filderstadt, “dass sie mit der Björn-Steiger-Stiftung aus Winnenden nicht zusammenarbeitet“. Vorstand Hans-Jörg Eyrich wurde mit folgenden Worten zitiert: “Es besteht unsererseits weder das Interesse, noch die Notwendigkeit mit der Björn-Steiger-Stiftung zusammenzuarbeiten“.

Die ersten Hubschrauber der Deutschen Rettungsflugwacht bewarben auch die Rettungsdienst-Stiftung Björn Steiger e. V., wie das Foto des Bell Long Ranger aus den 1980er Jahren eindrucksvoll zeigt

Die ersten Hubschrauber der Deutschen Rettungsflugwacht bewarben auch die Rettungsdienst-Stiftung Björn Steiger e. V., wie das Foto des Bell Long Ranger aus den 1980er Jahren eindrucksvoll zeigt

Foto: DRF Luftrettung (Archivfoto)

In den 1990er Jahren wies auf dem Hangar des DRF-Luftrettungszentrums Leonberg noch nichts auf den Betreiber hin, auf der BO 105 CBS-4 hingegen schon

In den 1990er Jahren wies auf dem Hangar des DRF-Luftrettungszentrums Leonberg noch nichts auf den Betreiber hin, auf der BO 105 CBS-4 hingegen schon

Foto: Olaf Tampier

Auch Mitte der Nullerjahre war die Steiger-Welt noch in Ordnung: RTH und ITH der DRF bzw. des Teams DRF trugen den Steiger-Stern (hier RTH “Christoph 11“ und ITH “Christoph 54“ am alten Luftrettungszentrum in VS)

Auch Mitte der Nullerjahre war die Steiger-Welt noch in Ordnung: RTH und ITH der DRF bzw. des Teams DRF trugen den Steiger-Stern (hier RTH “Christoph 11“ und ITH “Christoph 54“ am alten Luftrettungszentrum in VS)

Foto: Jörn Fries

Als Grund für die breit gestreute DRF-Pressemitteilung wurde angegeben, dass “Zeitungsmeldungen der vergangenen Woche [...] zu entnehmen [war], dass die Björn Steiger Stiftung plant, sich in der Luftrettung zu engagieren.“ Seitens der DRF-Luftrettung hieß es hierzu am 01.12.2014 unmissverständlich: “Dazu gibt es keinerlei Kooperationsgespräche mit der DRF-Luftrettung.“ Auch die in den Medien thematisierten Übernahmegerüchte weist die DRF-Luftrettung klar zurück: „Die DRF-Luftrettung steht wirtschaftlich auf soliden Füßen und schaut auf ein erfolgreiches Jahr 2014 zurück“, wird deren Vorstand Hans-Jörg Eyrich zitiert.

Noch im Oktober 2008 prangte das DRF-Logo mit der Unterzeile “Eine Initiative der Björn Steiger Stiftung e. V.“ auf dem Hangar des DRF-Luftrettungszentrums “Christoph 41“ in Leonberg

Noch im Oktober 2008 prangte das DRF-Logo mit der Unterzeile “Eine Initiative der Björn Steiger Stiftung e. V.“ auf dem Hangar des DRF-Luftrettungszentrums “Christoph 41“ in Leonberg

Foto: Jörn Fries

Doch bereits ein Jahr später wurde es durch das neue DRF-Logo ersetzt

Doch bereits ein Jahr später wurde es durch das neue DRF-Logo ersetzt

Foto: Jörn Fries

Fortan gingen DRF-Luftrettung und Björn-Steiger-Stiftung getrennte Wege (Symbolfoto)

Fortan gingen DRF-Luftrettung und Björn-Steiger-Stiftung getrennte Wege (Symbolfoto)

Foto: Jörn Fries

Am gleichen Tag (01.12.2014) erschien allerdings in den “Stuttgarter Nachrichten“ (StN) ein Artikel mit dem Titel “DRF in Filderstadt: Die Luftretter setzen ihren Sparkurs fort“, der das Bestreben der in Winnenden und Stuttgart ansässigen Björn-Steiger-Stiftung, sich operativ in der bundesdeutschen Luftrettung zu engagieren, zwar auch thematisierte, aber zugleich auf die Entscheidung der DRF-Luftrettung hinwies, sich von einem Teilgebiet ihres Geschäfts, nämlich dem weltweiten Ambulanzflugdienst für Versicherungsunternehmen, zu verabschieden und damit bereits seit Längerem kursierenden Gerüchten weitere Nahrung gab, dass die DRF Luftrettung vor einer weiterhin schwierigen finanziellen Zukunft stehe. Neun von 15 Piloten war deshalb gekündigt worden, und einige der Gekündigten wehren sich dagegen vor dem Arbeitsgericht.

Das Interessante an der Meldung war, dass die Luxembourg Air Rescue (LAR) den angebotenen Learjet 45 käuflich erworben hatte - und dies zu einem offensichtlich marktunüblichen niedrigen Preis. „Das hat ein Gschmäckle“, sagte einer der Betroffenen den StN. Denn deren Präsident René Closter sitzt im Präsidium des DRF-Fördervereins. Die DRF-Luftrettung wies dies umgehend zurück: „Wir haben an denjenigen verkauft, der das beste Angebot abgegeben hat“, sagte Sprecherin Petra Hentschel den StN – räumte allerdings ein: „Eine solche Maßnahme löst immer Unruhe aus.“

Und während die DRF-Luftrettung sich aus diesem Marktsegment verabschiedete, vermeldete die nunmehr in Hamburg ansässige Falck Rettungsdienst GmbH am 18.11.2014, dass sie nun in den weltweiten Ambulanzflugdienst einsteigen wolle. Falck kooperiert bei diesem Projekt mit den beiden Unternehmen Med11 GmbH und JK Jetkontor AG, die den Jet vom Typ Cessna 550 Citation Bravo sowie die fliegende Besatzung in das Projekt einbringen. Zur Erinnerung: Bis zum 31.12.2013 hatten DRF-Luftrettung und der Mutterkonzern der Falck Rettungsdienst GmbH, die dänische Falck A/S, gemeinsam den Rettungshubschrauber-Standort im süddänischen Ringsted betrieben (rth.info berichtete ebenfalls).

“Nichts ist beständiger als der Wandel“ - dieses auf den Griechen Heraklit zurückzuführende Zitat umschreibt recht gut den aktuellen Wandel im deutschen (Luft-)Rettungswesen. Und dass dabei auch einer der Mit-Initiatoren des bundesdeutschen Rettungswesens, die Björn-Steiger-Stiftung, mitmachen möchte, ist deshalb gar nicht so ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Allerdings sind bis auf die zitierten Ankündigungen bislang keine konkreten Schritte bekannt geworden. Dies mag man der Stiftung und ihrem jungen Präsidenten vorwerfen können. Denn im Gegensatz zu seinem Vater, der wie erwähnt Jahrzehnte lang der Björn-Steiger-Stiftung und der Deutschen Rettungsflugwacht als Vereinsvorsitzender vorstand und dem das deutsche Rettungswesen viele wichtige Impulse zu verdanken hat (erinnert sei an dieser Stelle nur an die bundesweite Einführung der Notrufnummern 110 und 112, die Ausstattung von Unfallrettungswagen mit Funkgeräten, die Einrichtung von Integrierten Leitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienst, die flächendeckende Implementierung der so genannten Public Access Defibrillation oder die Einführung des Baby-Notarztwagens), scheint Pierre-Enric Steiger seit seinem Amtsantritt nicht gerade vom Glück verfolgt zu sein.

Seit der Umwandlung des vormals als gemeinnützig anerkannten Vereins Rettungsdienst-Stiftung Björn Steiger e. V. in eine Stiftung bürgerlichen Rechts und insbesondere seit der Übernahme des Präsidentenamtes vom Vater im Jahr 2009 liest man regelmäßig von Projekten, die die Stiftung angehen wolle, nur: der Erfolg stellte sich bislang selten ein. Statt dessen berichteten die Medien unlängst über die dubiosen Drückermethoden bei der Mitgliedergewinnung oder die finanziellen Schwierigkeiten der nun in Stuttgart ansässigen Organisation.

“Björn-Steiger-Stiftung - Quo vadis?“ titelte denn auch Ende November das Online-Magazin für Hubschrauber copterweb.de. Ob eCall für Motorradfahrer oder die geplante Übergabe von 120 Baby-Notarztwagen, beide Projekte wurden mit viel Tamtam angekündigt, das erste wurde vom Partner Schubarth sang- und klanglos eingestellt, und von den zuletzt noch angekündigten 60 Baby-Notarztwagen wurden bislang erst drei in Dienst gestellt. Statt dessen wurde die Zahl der einst 7.000 BSS-Notruftelefone an Bundes,- Landes- und Kreisstraßen auf nunmehr rund 2.000 reduziert - diese stehen nun vorwiegend nur noch im Heimatland der Schwaben. Eine magere Bilanz nach fünf Jahren!

Im März 2012 wurde von der Björn-Steiger-Stiftung in Stuttgart “das erste ganzheitliche Baby-Notarztwagen-System der Welt“ vorgestellt - allerdings floppte der für Datteln vorgesehene erste Wagen

Im März 2012 wurde von der Björn-Steiger-Stiftung in Stuttgart “das erste ganzheitliche Baby-Notarztwagen-System der Welt“ vorgestellt - allerdings floppte der für Datteln vorgesehene erste Wagen

Foto: Jörn Fries

Zur Finanzierung der Notruftelefone der Björn-Steiger-Stiftung griff man vereinzelt auf Werbekunden zurück (hier ein NRT 21 in der Nähe von Trossingen)

Zur Finanzierung der Notruftelefone der Björn-Steiger-Stiftung griff man vereinzelt auf Werbekunden zurück (hier ein NRT 21 in der Nähe von Trossingen)

Foto: Jörn Fries

Viele Experten befürchten nun, dass sich die kleine Stiftung mit ihren beiden jüngsten Projekten, neben dem Markteintritt in die bundesdeutsche Luftrettung ist es der mit Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit geplante Aufbau eines Rettungswesens in der Volksrepublik China nach deutschem Vorbild, übernommen hat.

Das Online-Magazin Rettungsdienst.de schrieb dazu am 21.10.2014: “Stellt sich die Frage, wie die Björn-Steiger-Stiftung – eine Organisation mit vermutlich wenigen hundert Mitarbeitern – in der Lage ist, solch eine Mammutaufgabe zu bewältigen. Ohne dass massiv zusätzliches Personal eingestellt wird, kann das kaum gelingen. Hinzu kommt, dass die Björn-Steiger-Stiftung bislang noch nie selbst im operativen Rettungsdienst tätig war, es also an Erfahrung fehlen dürfte.“ Die fehlende Erfahrung dürfte die Stiftung nun in der bundesdeutschen Luftrettung sammeln wollen. rth.info wird das Ganze weiterhin aufmerksam beobachten.

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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