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Eine Legende geht in den Ruhestand: Flyout der Bell UH-1D in der Luftwaffe (Teil 4)

02.03.2013

In dieser Reportagenserie sind erschienen:

Was vor fast 45 Jahren, genauer gesagt im Februar des Jahres 1968, in Penzing begann, ging am 19.12.2012 am gleichen Ort zu Ende. Für Profis und Fans gleichermaßen traurig aber wahr: die Zeit der Bell UH-1D in der Luftwaffe ist vorüber. In diesem Mehrteiler berichtet rth.info ausführlich über die Einsatzgeschichte dieses Typs in der Luftwaffe. Lesen Sie hier den 4. Teil.

Das Ende in der Luftwaffe

Bekanntlich war und ist die Einführung des anvisierten Nachfolgemusters NH-90 mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten verbunden. Von vorneherein war auch klar, dass sich auf Grund von Größe und Gewichtsklasse der NH-90 nicht mehr als SAR-Hubschrauber im zivilen Bereich einsetzen ließe. Daher fristet die UH-1D ein weit über die ursprünglich angedachte Nutzungsdauer hinaus andauerndes Dasein, das nun für die Luftwaffe am 19.12.2012 offiziell in einem Festakt in Penzing beendet wurde. Aus diesem Anlass erhielt die 70+88 eine aufwändige Abschiedslackierung in Hochglanz.

Zum offiziellen Flyout der Bell UH 1D der Luftwaffe erhielt eine Maschine eine besondere Lackierung, welche die unterschiedlichen Einsatzbereiche der Maschine in der Vergangenheit eindrucksvoll darstellen soll

Zum offiziellen Flyout der Bell UH 1D der Luftwaffe erhielt eine Maschine eine besondere Lackierung, welche die unterschiedlichen Einsatzbereiche der Maschine in der Vergangenheit eindrucksvoll darstellen soll

Foto: Markus Schulze (Luftwaffe)

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Bereits in den letzten 15 Jahren häuften sich die Schwierigkeiten im Betrieb der UH-1D. Ersatzteile waren teilweise nicht mehr zu beschaffen und mussten in der Industrie völlig neu gebaut werden. Auch die Hubschrauberzellen waren trotz Nutzungsdauerverlängerungen mittlerweile schon relativ angeschlagen. Besonders bemerkbar machte sich das bei Maschinen, die in der Seeflugstaffel der salzhaltigen Luft und teilweise sogar Salzwasser ausgesetzt waren. Folge war eine zuletzt ziemlich schmerzhafte Reduktion der Flugstundenkontingente (Übrigens auch ein Grund für den fortschreitenden Rückzug aus dem SAR-Dienst).

Krabben- und Fischwinschen mit dem “Universaleimer“ (selbstverständlich im Austausch gegen flüssige Bordverpflegung) gehörte zu den eher inoffiziellen Aufgaben der “Seestaffel“

Krabben- und Fischwinschen mit dem “Universaleimer“ (selbstverständlich im Austausch gegen flüssige Bordverpflegung) gehörte zu den eher inoffiziellen Aufgaben der “Seestaffel“

Foto: Peter Pasternak

Die veränderte Sicherheitspolitische Lage drückte den faktischen Bedarf an Kapazitäten weiter nach unten und leitete die Zeit der Flottenreduktion ein. Die RUAG AG (als Nachfolgegesellschaft der Dornier Luftfahrt GmbH) hat nicht nur mit der industriellen Betreuung der fliegenden Maschinen alle Hände voll zu tun sondern auch mit der „Hochwertteilgewinnung“ und der Verwertung bereits abgeflogener und ausgemusterter Maschinen. Immerhin schafften es einige Maschinen in Museen oder anderweitig als Ausstellungsstücke aufgestellt zu werden. Beispielhaft sei hier die Initiative zur Errichtung des SAR 71-Denkmals auf dem Gelände des Bwk Hamburg genannt (rth.info berichtete).

Im August 2008 wurde das Denkmal von „SAR Hamburg 71“ am Rettungszentrum des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg im Rahmen eines Festaktes feierlich eröffnet

Im August 2008 wurde das Denkmal von „SAR Hamburg 71“ am Rettungszentrum des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg im Rahmen eines Festaktes feierlich eröffnet

Foto: Harald Rieger

Obwohl die Luftwaffe jetzt die UH-1D ausmusterte, verbleibt das Muster nach wie vor die Heeresflieger mit ihren zwei Transporthubschrauberregimentern. Sie werden die Bell UH-1D nach derzeitigem Kenntnisstand noch bis zum Jahr 2016 weiter betreiben.

Die Zukunft

Die jüngste Bundeswehrreform brachte wieder deutlich Bewegung in die Hubschrauberfliegerei der Luftwaffe. So ist man mittlerweile trotz umfangreicher, auf den NH-90 zugeschnittener Infrastrukturmaßnahmen am Standort Holzdorf fern davon, den NH-90 in der Luftwaffe einzuführen. Im Rahmen des sog. „Fähigkeitstransfers“ wurde dem HSG 64 an den Standorten Holzdorf und Laupheim nun das Waffensystem CH-53G(A/S) von den Heeresfliegern übergeben. Die für die Luftwaffe vorgesehenen und bereits im Dienst befindlichen NH-90 werden hingegen den Heeresfliegern übertragen. Neben den bisherigen Aufgaben der CH-53 bei den Heeresfliegern wird man insbesondere am Standort Laupheim den Bereich Luftverlastung von Spezialeinsatzkräften ausbauen. Nicht zuletzt auf Grund des eingesetzten Musters sieht man hier keinen Spielraum mehr für den SAR-Dienst. Die verbleibenden UH-1D der Luftwaffe wurden am 01.01.2013 buchmäßig den Heeresfliegern übertragen. Die SAR-Kommandos Landsberg, Nörvenich und Holzdorf sollen zunächst (gesichert) mindestens bis in das Jahr 2014 hinein bestehen bleiben und in diesem Zeitraum weiterhin von Luftwaffen-Crews aus Penzing besetzt werden, bevor diese Aufgabe dem Transporthubschrauberregiment 30 aus Niederstetten zufällt. Letzteres liegt daran, dass die Heeresflieger ein anderes Crew-Konzept in der UH-1D etablierten. Flog die Luftwaffe bisher die UH-1D mit nur einem Piloten und einem Bordtechniker, so haben die Heeresflieger in ihren Verbänden immer zwei Luftfahrzeugführer und einen Bordtechniker in der Maschine.

Einsatz einer SAR-Maschine der Bundeswehr in Rehau

Einsatz einer SAR-Maschine der Bundeswehr in Rehau

Foto: Sandro Höll

Der NH-90 soll nach derzeitigem Stand etwa 2016 nicht nur die UH-1D in der Transportrolle ablösen, sondern auch im SAR-Dienst über dem Festland

Der NH-90 soll nach derzeitigem Stand etwa 2016 nicht nur die UH-1D in der Transportrolle ablösen, sondern auch im SAR-Dienst über dem Festland

Foto: Patrick Penna (Eurocopter)

Ein Bild der Lage während und nach der endgültigen Einführung des NH-90, kann zu diesem Zeitpunkt nur in den Bereich der Spekulation verwiesen werden. Fakt ist jedoch, dass die UH-1D und der mit ihr verbundene charakteristische „Sound of Rescue“ uns doch noch eine Weile erhalten bleiben wird.

Bei so einem Anblick war der „Sound of Rescue“ stets unüberhörbar...

Bei so einem Anblick war der „Sound of Rescue“ stets unüberhörbar...

Foto: Harald Rieger

Trivia

Bis 1994 betrieb die Luftwaffe zwei UH-1D mit besonderer Meßausstattung für die Funkelektronische Aufklärung. Zu Zeiten des Eisernen Vorhanges waren diese auf dem Flughafen Braunschweig-Waggum stationiert und flogen die innerdeutsche Grenze auf und ab um gegnerische Radaranlagen der Warschauer Pakt-Staaten zu vermessen. Offiziell führten diese „Braunschweig-Maschinen“ genannten Hubschrauber Feldstärkemessungen im Auftrag der Bundespost durch. Der eigentliche Auftraggeber war jedoch der Bundesnachrichtendienst.

Einsatz einer Bell UH-1D am Krankenhaus Selb im Landkreis Wunsiedel in den Neunziger Jahren

Einsatz einer Bell UH-1D am Krankenhaus Selb im Landkreis Wunsiedel in den Neunziger Jahren

Foto: Sandro Höll

In der Gruppe „Auswertung Truppenversuch und Vorschriften“ des HTG 64 wurden nicht nur wesentliche Merkmale uns Spezifikationen des späteren NH-90 erarbeitet, sondern Mitte der 1980er Jahre auch die Eignung der UH-1D für Combat-SAR-Einsätze überprüft. Für die Bergung und Rettung von abgeschossenen Piloten oder eingeschlossenen Einheiten hinter feindlichen Linien wurde die UH-1D jedoch für nicht geeignet befunden und man verwarf die Idee, dieses Muster in dieser Rolle einzusetzen. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass man momentan mit dem Nachfolgemuster NH-90 und seinem Afghanistan-Deployment in dieser Frage noch nicht wirklich weitergekommen ist, da der von NH Industries/ Eurocopter angebotene CSAR-Rüstsatz nicht wie geplant angeschafft wird.

Nicht nur der Sound der auch „Teppichklopfer“ genannten Bell UH-1D war markant... (auch der Downwash in unmittelbarer Nähe ist nicht zu unterschätzen)

Nicht nur der Sound der auch „Teppichklopfer“ genannten Bell UH-1D war markant... (auch der Downwash in unmittelbarer Nähe ist nicht zu unterschätzen)

Foto: Jonas Schmidt

Wie das Wappen des Aufklärungsgeschwarders 51 “Immelmann“ auf die Nase des Hubschraubers gelangte, ist der Redaktion leider nicht bekannt. Die Vermutung liegt nahe, dass es einen NATO-Reconaissance-Wettbewerb am Standort Jever gegeben hat und

Wie das Wappen des Aufklärungsgeschwarders 51 “Immelmann“ auf die Nase des Hubschraubers gelangte, ist der Redaktion leider nicht bekannt. Die Vermutung liegt nahe, dass es einen NATO-Reconaissance-Wettbewerb am Standort Jever gegeben hat und

Foto: Peter Pasternak

Leider lief der Flugbetrieb der UH-1D in der Luftwaffe nicht unfallfrei ab. Insbesondere der Einsatz im SAR-Dienst birgt immer wieder neue Risiken. Obgleich es bei vielen Zwischenfällen glücklicherweise bei beschädigten Rotorblättern, „frisierten“ Straßenlaternen oder eingeknickten Kufengesellten und leichten Personenschäden blieb, kam es leider auch zu tödlichen Unfällen. Von denen sollten hier drei genannt werden: In der Nacht vom 05.12.1994 kollidierte „SAR 46“ aus Pferdsfeld (Bad Sobernheim) mit dem Fernsehturm in Mannheim. Am 06.06.1996 stürzte in Dortmund eine Luftwaffenmaschine ab, die mit 10 Rundfluggewinnern einer Rekrutierungsveranstaltung besetzt war und schließlich erwischte es am 14.03.2002 auch „SAR 71“ in Hamburg. Alle Insassen der hier genannten Abstürze fanden dabei bedauerlicherweise den Tod.

Tragischerweise fanden im Jahre 2002 beim Absturz des Hamburger „SAR 71“ fünf Besatzungsmitglieder den Tod. Hier ist der „SAR 71“ beim Tag der offenen Tür an der Landesfeuerwehrschule Hamburg (heute: Feuerwehrakademie Hamburg) zu sehen.

Tragischerweise fanden im Jahre 2002 beim Absturz des Hamburger „SAR 71“ fünf Besatzungsmitglieder den Tod. Hier ist der „SAR 71“ beim Tag der offenen Tür an der Landesfeuerwehrschule Hamburg (heute: Feuerwehrakademie Hamburg) zu sehen.

Foto: Heiner Lahmann

Trotz aller Unglücke bleibt festzuhalten, dass der SAR-Dienst der Bundeswehr unter Mithilfe der Luftwaffe in den letzten Jahrzehnten großartiges vollbracht hat und viele tausend Menschenleben retten konnte.

Trotz aller Unglücke bleibt festzuhalten, dass der SAR-Dienst der Bundeswehr unter Mithilfe der Luftwaffe in den letzten Jahrzehnten großartiges vollbracht hat und viele tausend Menschenleben retten konnte.

Foto: Markus Schulze (Luftwaffe)

Autor

Quelle(n)
Busse, Robert: Bell UH-1D „Huey“; Müller-Bringmann, Kaspar: Helfer aus der Luft. SAR - Search and Rescue; Wache, Siegfried: F-40 Bell UH-1D Luftwaffe; Wache, Siegfried: F-40 Bell UH-1D Heeresflieger

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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