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Eine Legende geht in den Ruhestand: Flyout der Bell UH-1D in der Luftwaffe (Teil 2)

04.02.2013

In dieser Reportagenserie sind erschienen:

Was vor fast 45 Jahren, genauer gesagt im Februar des Jahres 1968, in Penzing begann, ging am 19.12.2012 am gleichen Ort zu Ende. Für Profis und Fans gleichermaßen traurig aber wahr: die Zeit der Bell UH-1D in der Luftwaffe ist vorüber. In diesem Mehrteiler berichtet rth.info ausführlich über die Einsatzgeschichte dieses Typs in der Luftwaffe. Lesen Sie hier den 2. Teil.

Die Nutzerverbände in der Luftwaffe

Nach unterschiedlichen Quellen und Zeitpunktangaben taten 120 bis 136 der insgesamt 352 gefertigten Maschinen in den folgenden Verbänden der Luftwaffe ihren Dienst:

HTG 64 (HTG 64)

Das 1966 aus der 1. Hubschrauberlehr- und Versuchsstaffel aus Fürstenfeldbruck, der 2. Hubschrauberrettungsstaffel aus Lechfeld, der 3. Hubschrauberrettungsstaffel aus Ahlhorn sowie Teilen der Flugzeugführerschule „A“ zusammengestellte Hubschraubertransportgeschwader 64 war als Verband extra auf die Einführung der UH-1D zugeschnitten. Das HTG 64 erhielt am 09.02.1968 als erster operationeller Verband der Luftwaffe die Bell UH-1D. Es unterhielt im bayrischen Penzing zunächst die 1. verstärkte Staffel sowie 3 weitere fliegende Staffeln in Diepholz und dann kurz darauf im niedersächsischen Ahlhorn. Zeit seines Bestehens wurde das HTG immer wieder durch einige Umstrukturierungen kräftig „durcheinandergewirbelt“. So löste sich die 1. (vstk.) in Penzing 1979 aus dem Verband. In Nörvenich betrieb das HTG ein verstärktes Außenkommando mit rund einem Dutzend Hubschraubern.

UH-1D in der Luftransportrolle bei der Übung “Highway 84“ im Raum Ahlhorn

UH-1D in der Luftransportrolle bei der Übung “Highway 84“ im Raum Ahlhorn

Foto: via Department of Defense, defenseimagery.mil

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Das HTG 64 war in der Luftwaffe über lange Zeit das Hauptbetätigungsfeld für UH-1D in der Luftwaffe. Kein anderer Verband der Luftwaffe ist so eng in seiner Geschichte mit diesem Hubschraubertyp verbunden, wie das seinerzeitige HTG.

Spezialität beim HTG 64 war die sog. „Seestaffel“ am Heimatstandort in Ahlhorn. Obgleich die UH-1D nur ein Triebwerk hat, wurde regelmäßig über See geflogen und auch SAR-Einsätze über Wasser durchgeführt. SAR-Standorte waren: Hamburg, Rheine, Aachen/ Würselen, Koblenz, Ahlhorn, Jever, Faßberg, Hopsten, und Schwerin.

Das “Norm'60“-Tarnschema sah eine Lackierung der Hubschrauber in RAL 6014 Gelboliv über alles vor. Nach ausgiebigen Tarnversuchen wich man auf die “Norm'84“-Dreifarbentarnung mit weniger auffälligen Beschriftungen aus.

Das “Norm'60“-Tarnschema sah eine Lackierung der Hubschrauber in RAL 6014 Gelboliv über alles vor. Nach ausgiebigen Tarnversuchen wich man auf die “Norm'84“-Dreifarbentarnung mit weniger auffälligen Beschriftungen aus.

Foto: Heiner Lahmann

Im Zuge sicherheitspolitischer Veränderungen und daraus resultierenden Bundeswehrreformen wurde das HTG 64 schlussendlich bis zum 31.12.1993 in Ahlhorn aufgelöst und die Fliegenden Staffeln auf die verbleibenden Lufttransportstrukturen aufgeteilt (siehe unten).

Hubschrauberführerschule der Luftwaffe (HFSLw)

Die Hubschrauberführerschule der Luftwaffe in Faßberg ging aus der Flugzeugführerschule „S“ – Ausbildungsgruppe C hervor. In Faßberg trafen 1969 die ersten UH-1D zu Schulzwecken ein. Nachdem Pilotenanwärter die 70-stündige Grundschulung auf der Bell 47G absolviert hatten, genossen sie in diesem Verband weitere 80 Stunden Fortgeschrittenen-Schulung auf der UH-1D. Die HFSLw hatte nur bis zum Jahr 1975 bestand, da man sich fortan für die eine Ausbildung des Pilotennachwuchses in den USA entschied. Die etwa 25 Maschinen gingen an das HTG 64 und man übernahm von Ahlhorn aus die „Europäisierung“ der aus den USA kommenden Jungpiloten.

Zur besseren Sichtbarkeit im stark frequentierten Faßberger Ausbildungsluftraum trugen die Maschinen der HFSLw einen auffälligen Schulanstrich mit Tagesleuchtfarben

Zur besseren Sichtbarkeit im stark frequentierten Faßberger Ausbildungsluftraum trugen die Maschinen der HFSLw einen auffälligen Schulanstrich mit Tagesleuchtfarben

Foto: Archiv Felix Troschier

Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung (FlBschftBMVg)

Ursprünglich betrieb man von Köln-Wahn aus nur vier VIP-Hueys, die besonders leicht an ihrem blau-weißen Airliner-Anstrich und den Einstiegshilfen zu erkennen waren. Mit der Auflösung des HTG 64 übernahm man jedoch den Betrieb des Nörvenicher Kommandos und plötzlich stieg die Zahl der Maschinen auf um die 20. Ab 1994 bediente man auch die SAR-Rettungszentren Rheine, Aachen/Würselen und Koblenz. Mit Einführung der AS-532 Cougar als VIP-Hubschrauber endete die UH-1D-Zeit in der Flugbereitschaft bereits im Jahr 1998.

Nachdem diese Maschine bei der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums nicht mehr benötigt wurde, erhielt sie eine Gnadenfrist als Versuchsträger bei der Wehrtechnischen Dienststelle 61 in Manching. Die Einstiegshilfen sind demontiert.

Nachdem diese Maschine bei der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums nicht mehr benötigt wurde, erhielt sie eine Gnadenfrist als Versuchsträger bei der Wehrtechnischen Dienststelle 61 in Manching. Die Einstiegshilfen sind demontiert.

Foto: Kai Münzenmayer

Lufttransportgeschwader 61 (LTG 61)

Die ehemalige 1. verstärkte Staffel des HTG 64 bildete ab 1979 eine 2. Hubschraubertransportstaffel des LTG 61 mit etwa 40 Maschinen. Ihr oblag die Stellung der südlichen SAR-Kommandos und Rettungszentren Ulm, Koblenz, Pferdsfeld, Bremgarten, Malmsheim, Neuburg/Manching, Nürnberg, und Landsberg. Zu seinem Spezialgebiet gehörte die Bergrettung und spezielle Windenverfahren z.B. für die Evakuierung von Seilbahngondeln. Mit dem Rückzug der Flugbereitschaft aus dem Huey-Flugbetrieb ging die Zuständigkeit für den Außenposten in Nörvenich auf eine dazu neu gegründete 3. Staffel im LTG 61 über, die jedoch 2006 schon wieder aufgelöst wurde.

“SAR 56“ aus Penzing fernab der Heimat in Marburg. In den Wintermonaten wurden die Maschinen des LTG 61 bevorzugt mit Einsinkschützen ausgerüstet. Hier flog man auch gerne ohne Verbandswappen, was die Zuordnung nicht gerade erleichterte.

“SAR 56“ aus Penzing fernab der Heimat in Marburg. In den Wintermonaten wurden die Maschinen des LTG 61 bevorzugt mit Einsinkschützen ausgerüstet. Hier flog man auch gerne ohne Verbandswappen, was die Zuordnung nicht gerade erleichterte.

Foto: Andreas Kautz

Da die Maschinen gerade in den letzten Jahren häufig unter den Luftwaffenverbänden & sogar teils mit dem Heer getauscht wurden, war auch das auf den Vordertüren aufgebrachte Verbandswappen kein sicherer Indikator dafür, bei wem die Maschine beheimatet ist

Da die Maschinen gerade in den letzten Jahren häufig unter den Luftwaffenverbänden & sogar teils mit dem Heer getauscht wurden, war auch das auf den Vordertüren aufgebrachte Verbandswappen kein sicherer Indikator dafür, bei wem die Maschine beheimatet ist

Foto: Michael Schaufler

Lufttransportgruppe 62 (LTGrp 62)

Die LTGrp 62 ist ein Überbleibsel aus den NVA-Hubschraubereinheiten aus Brandenburg-Briest und war nach der Auflösung des HTG 64 die neue Bleibe für die ehemalige 1. Staffel des HTG (sog. „Torfstaffel“). Das Wappentier „Hans Huckebein“ zierte die Maschinen an den SAR-Kommandos und Rettungszentren in Jena, Neustrelitz, Bad Saarow, Schwerin und Erfurt. Darüber hinaus gab es eine kleine Abordnung von Maschinen nach Diepholz zur Luftwaffenwerft 23, die dort das entsprechende Wappen trugen. Buchmäßig gehörten die Maschinen aber zur LTGrp 62. Mit dem Rückzug des LTG 61 aus Nörvenich kam die Übernahme des hiesigen „SAR 41“ hinzu. Verbandsstandort ist der Fliegerhorst Holzdorf-Schönewalde an der Landesgrenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Der Verband und Standort ist die Keimzelle des neuen HSG 64.

In den letzten Jahren erschienen selbst die Verbandswappen zu bunt und man brachte das Wappen bei Maschinen der LTGrp 62 in einer “low-visibility-Variante“ nur noch schemenhaft auf

In den letzten Jahren erschienen selbst die Verbandswappen zu bunt und man brachte das Wappen bei Maschinen der LTGrp 62 in einer “low-visibility-Variante“ nur noch schemenhaft auf

Foto: Jörn Fries

Lufttransportgeschwader 63 (LTG 63)

Das „Brummel“-Geschwader aus Hohn bei Rendsburg nahm die Ahlhorner Seestaffel nach 1993 in seinen Verband mit auf. Die 2. Staffel verfügte über rund 20 Hueys. Außenstandorte waren das Hamburger Rettungszentrum sowie die Kommandos in Diepholz und Laage. Zeitweilig hielt man wegen wartungsbedingter Engpässe des Sea Kings der Marineflieger in Hohn aber auch schon mal eine seeertüchtigte UH-1D als SAR-Stand-By bereit. Im Zuge der Zusammenlegung der Hubschrauberverbände der Luftwaffe wurde der Flugbetrieb auf der UH-1D in Hohn am 15.12.2010 eingestellt und die Staffel aufgelöst.

Aus Gründen der Tarnung wurden die auffälligen SAR-Türen nur bei jenen Maschinen mitgeführt, die auch tatsächlich im SAR-Einsatz standen. Hier zwei Maschinen der 2. (HT-)Stff/ LTG 63 am Standort des Verbandes in Hohn.

Aus Gründen der Tarnung wurden die auffälligen SAR-Türen nur bei jenen Maschinen mitgeführt, die auch tatsächlich im SAR-Einsatz standen. Hier zwei Maschinen der 2. (HT-)Stff/ LTG 63 am Standort des Verbandes in Hohn.

Foto: Harald Rieger

Hubschraubergeschwader 64 (HSG 64)

In der alten Tradition des HTG 64 möchte man künftig doch wieder ein zentrales Hubschraubergeschwader mit zwei Standorten in der Luftwaffe haben. Es wurde zum 1.10.2010 mit nahezu gleichem Verbandswappen in Holzdorf aufgestellt. Hier wurden mit Ausnahme derer des LTG 61 alle verbleibenden UH-1D der Luftwaffe zusammengezogen. Der „Fähigkeitstransfer“ warf hier jedoch schon seine Schatten voraus und stellte den Flugbetrieb auf der UH-1D im September 2012 noch vor dem LTG 61 ein.

Die Hubschraubertransport-Staffel des LTG 63 ist aus der alten "Seestaffel" des HTG 64 hervorgegangen und beherbergte die für den Gebrauch von aufblasbaren Notschwimmern ertüchtigten UH-1D

Die Hubschraubertransport-Staffel des LTG 63 ist aus der alten "Seestaffel" des HTG 64 hervorgegangen und beherbergte die für den Gebrauch von aufblasbaren Notschwimmern ertüchtigten UH-1D

Foto: Felix Troschier

Nach unterschiedlichen Angaben gab es etwa 30-40 UH-1D in der Luftwaffe mit Schwimmer-Verkabelung. Obwohl eigentlich Arbeitsbereich der Marineflieger, kam bei Flügen über See mit der UH-1D kein Konkurrenzdenken auf.

Nach unterschiedlichen Angaben gab es etwa 30-40 UH-1D in der Luftwaffe mit Schwimmer-Verkabelung. Obwohl eigentlich Arbeitsbereich der Marineflieger, kam bei Flügen über See mit der UH-1D kein Konkurrenzdenken auf.

Foto: Patrick Permien

Autor

Quelle(n)
Busse, Robert: Bell UH-1D „Huey“; Müller-Bringmann, Kaspar: Helfer aus der Luft. SAR - Search and Rescue; Wache, Siegfried: F-40 Bell UH-1D Luftwaffe; Wache, Siegfried: F-40 Bell UH-1D Heeresflieger

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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