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Eine Legende geht in den Ruhestand: Flyout der Bell UH-1D in der Luftwaffe (Teil 1)

27.01.2013

In dieser Reportagenserie sind erschienen:

Was vor fast 45 Jahren, genauer gesagt im Februar des Jahres 1968, in Penzing begann, ging am 19.12.2012 am gleichen Ort zu Ende. Für Profis und Fans gleichermaßen traurig aber wahr: die Zeit der Bell UH-1D in der Luftwaffe ist vorüber. In diesem Mehrteiler berichtet rth.info ausführlich über die Einsatzgeschichte dieses Typs in der Luftwaffe. In einem rauschenden Flyout-Fest wurde sowohl die 2. Staffel des Lufttransportgeschwaders 61 als auch stellvertretend für die gesamte Teilstreitkraft Luftwaffe das Waffensystem Bell UH-1D außer Dienst gestellt. Besonders verdient machte sich die „Huey“ im SAR-Dienst der Bundeswehr. Sie war und ist nach wie vor in der Rolle als Rettungshubschrauber ein Aushängeschild für das Engagement der Bundeswehr im zivilen und humanitären Bereich.

Der großzügige Innenraum gestattete auch schon einmal die Mitnahme einer Kiste Mineralwasser (rechts von der Winde) an heißen Tagen

Der großzügige Innenraum gestattete auch schon einmal die Mitnahme einer Kiste Mineralwasser (rechts von der Winde) an heißen Tagen

Foto: Archiv Felix Troschier

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Wie alles begann

Zu Beginn der 1960 war die Hubschrauberflotte der Bundeswehr bunt gemischt. Man flog die Bell 47, die Vertol H-21 „Banane“, die Bristol Sycamore, die Sikorsky H-34G und die Alouette II. Mit Ausnahme der Alouette II hatten diese Muster eines gemeinsam: Sie wurden durch ein Kolbentriebwerk angetrieben. Mittlerweile standen aber leistungsfähige Turbinentriebwerke zur Verfügung, die im Vergleich zum Kolbentriebwerk ein deutlich besseres Gewichts-Leistungs-Verhältnis aufwiesen.

Das erste flächendeckende SAR-Netz wurde mit der Bristol 171 "Sycamore" aufgebaut. Er wurde durch die UH-1D abgelöst und 1969 außer Dienst gestellt

Das erste flächendeckende SAR-Netz wurde mit der Bristol 171 "Sycamore" aufgebaut. Er wurde durch die UH-1D abgelöst und 1969 außer Dienst gestellt

Foto: Markutsch (via commons.wikimedia.org, frei lizenziert – Verwendung unter Namensnennung erlaubt)

Bis 1965 auch im SAR-Dienst der Luftwaffe: Vertol H-21 "Fliegende Banane". Betreiber war die 1. Luftrettungs- und Verbindungsstaffel in Fürstenfeldbruck

Bis 1965 auch im SAR-Dienst der Luftwaffe: Vertol H-21 "Fliegende Banane". Betreiber war die 1. Luftrettungs- und Verbindungsstaffel in Fürstenfeldbruck

Foto: Markus Kutscher, Frankfurt, Germany (via commons.wikimedia.org, frei lizenziert – Verwendung unter Namensnennung erlaubt)

So machte man sich innerhalb der Heeresflieger und der Luftwaffe auf die Suche nach einem Nachfolgemuster. Recht schnell wurde dem deutschen Staat die Bell UH-1D angeboten. Bereits zu jener Zeit war Bell mit der bis dahin bei der US-Armee eingeführten UH-1A und B bei der US-Armee ein großer Wurf gelungen.

Die HU-1A (später UH-1A) war die erste Serienversion der "Huey". Hier ein Schulhubschrauber der Army Aviation School in Fort Rucker, Alabama. In dieser Pilotenschmiede hatten auch viele Flieger der Bundesluftwaffe ihren Erstkontakt mit ihrem Heli.

Die HU-1A (später UH-1A) war die erste Serienversion der "Huey". Hier ein Schulhubschrauber der Army Aviation School in Fort Rucker, Alabama. In dieser Pilotenschmiede hatten auch viele Flieger der Bundesluftwaffe ihren Erstkontakt mit ihrem Heli.

Foto: PD-USGOV-MILITARY-ARMY (via commons.wikimedia.org, frei lizenziert – public domain)

Die UH-1B wurde gegenüber der UH-1A nochmals verbessert und erhielt ihre "Feuertaufe" im Vietnamkrieg. Frühe UH-1-Baureihen haben noch eine deutlich kürzere Kabine und werden daher manchmal auch als "Baby-Hueys" bezeichnet.

Die UH-1B wurde gegenüber der UH-1A nochmals verbessert und erhielt ihre "Feuertaufe" im Vietnamkrieg. Frühe UH-1-Baureihen haben noch eine deutlich kürzere Kabine und werden daher manchmal auch als "Baby-Hueys" bezeichnet.

Foto: PD-USGOV-MILITARY-ARMY (via commons.wikimedia.org, frei lizenziert – public domain)

Bei der Luftwaffe war die Bristol Sycamore in der SAR-Rolle und die H-34 im Lufttransport zu ersetzen. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wurde die Beschaffung eines einzigen Musters erwogen. Das geforderte Einsatzprofil war:

  • Such- und Rettungsdienst (SAR) über Land und über See (hier nur 2. Grades)
  • Verwundeten- und Krankentransport
  • Katastropheneinsätze
  • Transportaufgaben: Personen- und Materialtransporte im Rahmen der Versorgung der Einsatzverbände der Luftwaffe
  • Verbindungsflüge (VIP)
  • Einsätze im Rahmen wirtschaftlicher Aufgaben
Bereits im Jahre 1963 fand eine 30-tägige Truppentauglichkeitserprobung der Bell UH-1D mit geliehenen Maschinen der US-Armee unter Federführung des Heeres statt. Da das Heer zunächst auch einen bewaffneten Einsatz der UH-1D in Erwägung zog, fanden hier auch Schießversuche statt. Zum Programm gehörten aber auch Lastenflüge im Hochgebirge.

Darauf folgte im Jahr 1964 ein etwa zweimonatiger Truppenversuch unter der Obhut der Erprobungsstelle 61 in Faßberg mit zwei fabrikneuen Hubschraubern in der US-Army-Konfiguration, die durch die Firma Bell zur Verfügung gestellt wurden. Selbstverständlich wurde dabei auch auf die Erfahrungen aus dem Vorjahr zurückgegriffen und es stellte sich schnell heraus, dass sich die UH-1D gegenüber ihrem direkten Konkurrenten, dem Sikorsky S-61R, durchsetzen konnte. Da das Heer von der Idee eines UH-1D-Kampfhubschraubers derweil wieder Abstand genommen hatte, wurde man sich zwischen Luftwaffe und Heeresfliegerei auch schnell einig, dass die „Huey“ den Anforderungen beider Teilstreitkräfte entspricht.

Ursprünglich war auch für die Marineflieger die Einführung der UH-1D als Anti-U-Boot- und SAR-Hubschrauber erwogen worden. Dieses Vorhaben stieß jedoch bei den Marinefliegern selbst auf nur sehr wenig Gegenliebe. In der Folge schafften es die Marineflieger ihr eigenes Nachfolgemuster für die H-34 durchzusetzen, was in der Beschaffung und Indienststellung des Sea King Mk. 41 resultierte.

Beschaffung und Lizenzbau

Am 11. und 25.02.1965 tagte der Verteidigungsausschuss des Bundestages und stimmte der Beschaffung von einer seinerzeit anvisierten Stückzahl von 406 Hubschraubern für Heer, Luftwaffe, Marine und Bundesgrenzschutz zu. Im April 1965 bewilligte dann auch der Haushaltsausschuss die finanziellen Mittel und gab somit grünes Licht für die Beschaffung der Bell UH-1D für die Bundeswehr.

Das HTG 64 war der Hauptnutzer des Typs in der Luftwaffe. Hier eine Maschine des Verbandes bei einer Übung auf dem Autobahn-Notlandeplatz auf der BAB A29 in der Nähe von Ahlhorn.

Das HTG 64 war der Hauptnutzer des Typs in der Luftwaffe. Hier eine Maschine des Verbandes bei einer Übung auf dem Autobahn-Notlandeplatz auf der BAB A29 in der Nähe von Ahlhorn.

Foto: TSgt. Rod Prouty, USAF (via commons.wikimedia.org, frei lizenziert – public domain)

Im Vorfeld der offiziell bekanntgegebenen Beschaffung hat Deutschland sich zugleich auch die Rechte für die Lizenzfertigung im eigenen Lande gesichert. Das Motiv lag dabei auf der Hand: Die süddeutsche Flugzeugindustrie war nicht bis in alle Ewigkeit mit den Lizenzbauten der „Fiat G-91“ und „F-104 Starfighter“ ausgelastet und man hielt nach Folgeaufträgen Ausschau. In Folge dessen bewarben sich die Firmen Dornier, Heinkel (später Vereinigte Flugtechnische Werke- VFW), Messerschmitt und Siebel um das Projekt. Dornier erhielt den Zuschlag als Hauptauftragnehmer, währenddessen die Firmen Messerschmitt, VFW und Siebel durch das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung als Unterauftragnehmer und Zulieferer bestimmt worden. Die Firma Klöckner-Humboldt-Deutz erhielt von Lycoming die Lizenz zur Fertigung des T53-L11A- und später des L13-Triebwerks.

Bell lieferte 1965 noch einmal vier Vorserienhubschrauber, die als Ergebnis der Truppenerprobungen nach deutschen Spezifikationen umgebaut waren. In der Folge fertigte Dornier dann insgesamt 352 Bell UH-1D in Lizenz. Das Vorhaben war in mehrere Phasen aufgeteilt, in denen der Anteil der Bauteile, die von Bell selbst gefertigt wurden, mit zunehmender Werknummer immer kleiner wurde. Trotz mehrerer Verzögerungen und Schwierigkeiten konnte der Lizenzbau bis zum 12.01.1971 offiziell beendet werden. Angesichts heutiger Rüstungsprojekte und deren Verzögerungen eine beachtliche Leistung.

Einsätze im Stadtgebiet stellten trotz der größe des Musters zumeist kein Problem dar: "SAR 71" im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel.

Einsätze im Stadtgebiet stellten trotz der größe des Musters zumeist kein Problem dar: "SAR 71" im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel.

Foto: Heiner Lahmann

Abflug von "SAR Hamburg 71" in der Abendsonne

Abflug von "SAR Hamburg 71" in der Abendsonne

Foto: Heiner Lahmann

Autor

Quelle(n)
Busse, Robert: Bell UH-1D „Huey“; Müller-Bringmann, Kaspar: Helfer aus der Luft. SAR - Search and Rescue; Wache, Siegfried: F-40 Bell UH-1D Luftwaffe; Wache, Siegfried: F-40 Bell UH-1D Heeresflieger

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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