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40 Jahre ZSH: Christoph 35 - Brandenburg a.d. Havel

06.03.2012

In dieser Reportagenserie sind erschienen:

Der 10.04.1990, dieses Datum steht für die Anfänge der Luftrettung in den neuen Bundesländern. Innerhalb kürzester Zeit hatte man sich dazu entschlossen ein flächendeckendes Luftrettungsnetz, durch Hubschrauber der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR, zu betreiben. Am 18. März 1990 wurde diese „Zwischenlösung“ durch die damaligen Minister Jürgen Kleditzsch (Gesundheitswesen) und Rainer Eppelmann (Verteidigung und Abrüstung) beschlossen und man begann damit, Hubschrauber der Typen Mi-2 und Mi-8 an 10 Standorten mit dem Rufnamen „Äskulap“ bereitzustellen.

Beginn des Flugbetriebes 1990 noch unter DDR-Flagge von einem provisorischen Landeplatz aus. "SMH" stand im DDR-Gesundheitswesen für "Schnelle Medizinische Hilfe"

Beginn des Flugbetriebes 1990 noch unter DDR-Flagge von einem provisorischen Landeplatz aus. "SMH" stand im DDR-Gesundheitswesen für "Schnelle Medizinische Hilfe"

Foto: Thomas Girke (helicopter-database.de/photo.php)

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Zurück zum 10.04.1990. In Brandenburg a. d. Havel wird unweit des heutigen Städtischen Klinikums Brandenburg ein Rettungshubschrauber des Typs Mi-2 stationiert. Vorerst wurde von einer NVA-Kaserne aus gestartet. Die Mi-2 bewies sich für den Luftrettungsdienst gut geeignet, aufgrund der großen Kabine und der geringen Störanfälligkeit. Die fliegerische Betreuung der Mi-2 lag in den Händen des Hubschrauber-Ausbildungs-Geschwarders (HAG) 35 aus Brandenburg-Briest. An diesem Flugplatz stand ab etwa dem gleichen Zeitpunkt aber auch eine Mil Mi-8T des Transporthubschrauber-Geschwarders (THG) 34 der Luftstreitkräfte der NVA für Aufgaben im SAR-Dienst bereit.

Nach der Wiedervereinigung wurde die Bundeslufwaffe neuer Eigner der Mi-2. Die Aufnahme entstand 1991 am Fliegerhorst Brandenburg-Briest

Nach der Wiedervereinigung wurde die Bundeslufwaffe neuer Eigner der Mi-2. Die Aufnahme entstand 1991 am Fliegerhorst Brandenburg-Briest

Foto: Thomas Girke (helicopter-database.de/photo.php)

In Brandenburg war man in der glücklichen Lage, mit dem nahegelegenen Fliegerhorst Briest das Zentrum der DDR-Militärhubschrauberfliegerei quasi vor der Haustür zu haben. Nach der Unterzeichnung des „Vertrages zur Durchführung der Luftrettung auf dem Gebiet der DDR“ am 17. August 1990 in Strausberg übernahm die Bundeswehr zum 31.10.1990 den Luftrettungsdienst. Die Mi-2 und Mi-8 gingen in den Bestand der Bundeswehr über und der DDR-Terminus „SMH“ musste dem westlichen „SAR“ weichen. In Brandenburg wurde weiterhin eine Mi-2 für den zivilen Luftrettungsdienst gestellt, die fortan den Rufnamen „SAR 94“ besaß, während auch in Briest weiterhin eine Mi-8 für SAR-Aufgaben bereitstand. Bis Mitte 1992 wurden über 200 Einsätze verzeichnet. Von Anfang an war klar, dass die Bundeswehr die Mehrzahl ihrer Standorte in den neuen Bundesländern nur vorübergehend betreiben wird, denn mittlerweile waren die Überbleibsel des HAG-35 und des THG-34 zum kurzlebigen LTG 65 zusammengefasst, was dann wiederum in der LTGrp 62 aufgegangen ist. Die Mi-2 und Mi-8 verließen die Flotte der Bundeswehr. Für den Standort Brandenburg war die Übernahme in das Netz der Zivilschutzhubschrauber des Bundesinnenministeriums vorgesehen. Seitdem heißt der Hubschrauber „Christoph 35“.

Auch die große Mil Mi-8T kam in Brandenburg zum zivilen Einsatz, allerdings nicht mehr vom Landeplatz im Stadtgebiet aus; hier 1990 in Briest

Auch die große Mil Mi-8T kam in Brandenburg zum zivilen Einsatz, allerdings nicht mehr vom Landeplatz im Stadtgebiet aus; hier 1990 in Briest

Foto: Thomas Girke (helicopter-database.de/photo.php)

1993, genauer gesagt am 1. Oktober 1993, kam es dann auch so. Der Katastrophenschutz übernahm mit einer Bell UH-1D („D-HBZD“), gestellt durch die Grenzschutz-Fliegerstaffel Ost (damals noch am Flughafen Berlin-Tempelhof) den Luftrettungsdienst und wechselte den Standort vom Flugplatz Brandenburg-Briest auf den Marienberg am Klinikum Brandenburg. Am 14.09.1994 konnte dann auch der Hangar mit angrenzenden Sozialräumen sowie eigener Tankanlage eingeweiht werden, somit war es nicht mehr nötig, den Hubschrauber morgens und abends sowie zum Betanken zum Flugplatz Brandenburg-Briest zu überführen. Zwischenzeitlich kam es auch vor, dass grüne Ersatzmaschinen des Bundesgrenzschutzes zum Einsatz kamen. Mit der Bell UH-1D absolvierte man bis Mai 1997 mehr als 3000 Einsätze.

Die UH-1D an der Station auf dem Marienberg. Der Typ wurde dort bis 1997 eingesetzt

Die UH-1D an der Station auf dem Marienberg. Der Typ wurde dort bis 1997 eingesetzt

Foto: via Archiv Felix Troschier

Die D-HBZD war seinerzeit in Brandenburg recht häufig anzutreffen

Die D-HBZD war seinerzeit in Brandenburg recht häufig anzutreffen

Foto: Archiv Michael Butz

Ost trifft West: Russ. Geländewagen vom Typ "UAZ" als Zugfahrzeug. Als der Hangar noch nicht fertig gestellt war, erfolge die nächtliche Unterbringung auf dem Militärflugplatz Brandenburg-Briest

Ost trifft West: Russ. Geländewagen vom Typ "UAZ" als Zugfahrzeug. Als der Hangar noch nicht fertig gestellt war, erfolge die nächtliche Unterbringung auf dem Militärflugplatz Brandenburg-Briest

Foto: Bundespolizei-Fliegerstaffel Blumberg

Im Mai 1997 ging diese Ära dann zu Ende. Die Bell UH-1D verließ den Marienberg und wurde durch die kleinere Bo 105 CBS-5 ersetzt. Im Jahre 2002 kam nach einer technischen Überprüfung und Feststellung eines technischen Mangels an der Bo-105 CBS-5 auch eine SA-318C Alouette II als Notarztzubringer zum Einsatz, bis eine Ersatzmaschine aus Gifhorn bereitgestellt war. Mit der Bo 105 flog man in Brandenburg mehr als 12.000 Einsätze.

Die BO 105 CBS-5 löste 1997 in Brandenburg zunächst die UH-1D ab. Die fliegerische und technische Betreuung obliegt der Bundespolizei-Fliegerstaffel Blumberg bei Berlin

Die BO 105 CBS-5 löste 1997 in Brandenburg zunächst die UH-1D ab. Die fliegerische und technische Betreuung obliegt der Bundespolizei-Fliegerstaffel Blumberg bei Berlin

Foto: Stefan Reichwald

Die zahlreichen Gewässer im Einsatzgebiet von "Christoph 35" führen im Sommer häufig zu Alarmierungen zu Bade- und Wassersportunfällen

Die zahlreichen Gewässer im Einsatzgebiet von "Christoph 35" führen im Sommer häufig zu Alarmierungen zu Bade- und Wassersportunfällen

Foto: Michael Wolter

20. Dezember 2007: Im Zuge der Flottenerneuerung der Zivilschutz-Hubschrauberflotte erhielt der Standort „Christoph 35“ eine Ec-135 T2i. Die Übergabe erfolgte durch den Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Herrn Christoph Unger an die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg, Dagmar Ziegler.

Wie an allen anderen ZSH-Standorten kommt seit 2007 auch in Brandenburg eine EC-135 T2i zum Einsatz

Wie an allen anderen ZSH-Standorten kommt seit 2007 auch in Brandenburg eine EC-135 T2i zum Einsatz

Foto: Michael Wolter

Wie auf jedem neuen ZSH des Typs Ec-135 T2i des Bundes sind auch in Brandenburg technische Neuerungen am neuen Muster vorhanden: das Hinderniswarnsystem Hellas, ein digitales Navigationssystem vom Typ EuroNav IV, das dem Piloten den kürzesten Weg hausnummergenau anzeigt. Ein Satellitenfunknetztelefon sorgt dafür auch bei schlechtem Funkempfang dennoch für die Leitstelle dennoch erreichbar zu sein. Des weiteren ist man auch in Brandenburg seit Anfang 2010 in das Leitstellensystem „RescueTrack“ integriert.

Das Luftrettungszentrum und Einsatzgebiet

Das Einsatzgebiet von „Christoph 35“ umfasst, damals wie heute, einen Radius von 70 km. Nördlich, westlich wie auch südlich Teile Sachsen- Anhalts mit Städten wie Dessau, Magdeburg und Stendal, Teile der Börde, sowie in Brandenburg die Landeshauptstadt Potsdam, die Landkreise Teltow-Fläming, Potsdam-Mittelmark, Ostprignitz-Ruppin, das Havelland und Berlin. Des weiteren die Bundesautobahnen A2, A9, A24 und der Berliner Ring. Ebenso ist man in Brandenburg für die Eis- und Wasserrettung gut trainiert, denn Brandenburg ist immerhin das gewässerreichste Bundesland.

Klassische Situation für "Christoph 35": Einsatz zu einem Verkehrsunfall auf einer der Landstraßen im Einsatzgebiet

Klassische Situation für "Christoph 35": Einsatz zu einem Verkehrsunfall auf einer der Landstraßen im Einsatzgebiet

Foto: Michael Wolter

Die Notärzte stellt das Klinikum Brandenburg GmbH, eingesetzt werden vor allem Anästhesisten und Intensivmediziner die zum Großteil eine Schulung zum „leitenden Notarzt“ absolviert haben um für Großschadenfälle gewappnet zu sein.

Rettungsassistenten/HCM stellen die Johanniter, Regionalverband Brandenburg- Nordwest und die Berufsfeuerwehr der Stadt Brandenburg.

Piloten kommen ausschließlich von der Bundespolizei, gestellt durch die Bundespolizeifliegerstaffel Blumberg in Blumberg/Ahrensfelde bei Berlin.

Als Besonderheit verfügt die Brandenburger Station über eine Landeplattform mit Drehteller: sie ermöglicht das Ausrichten der Maschine an der aktuellen Windrichtung und vereinfacht das Handling bei der Betankung

Als Besonderheit verfügt die Brandenburger Station über eine Landeplattform mit Drehteller: sie ermöglicht das Ausrichten der Maschine an der aktuellen Windrichtung und vereinfacht das Handling bei der Betankung

Foto: Michael Wolter

Besonderheit am Standort: Das Luftrettungszentrum ist direkt mit dem Klinikum über eine Brücke verbunden, durch die Patienten mit einem entsprechenden Aufzug direkt in die Rettungsstelle, zum CT, MRT oder Herzkatheter transportiert werden können. Somit entfällt der Transfer vom Landeplatz auf dem Marienberg zum Klinikum mit entsprechenden Rettungs- oder Transportwagen.

Geflogen wird von 7.00 Uhr (Sonnenaufgang) bis Sonnenuntergang.

"Christoph 35" 2010 zu Gast am Carl-Thiem-Klinikum Cottbus

"Christoph 35" 2010 zu Gast am Carl-Thiem-Klinikum Cottbus

Foto: Michael Wolter

Bis zum 8.10.2011 wurden seit Anbeginn der Luftrettung in Brandenburg a. d. Havel 20.246 Einsätze verzeichnet.

Autoren

Wir danken:
Thomas Girke (www.helicopter-database.de), Bundespolizei-Fliegerstaffel Blumberg, Michael Wolter

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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