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“Der Erfolg der zivilen Luftrettung hat viele Väter, aber nur eine Mutter“ – Die Gründerin der DRF im Gespräch mit rth.info

31.07.2020

Neuhaus/SG (CH) ::  Die zivile Luftrettung feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Das Nachrichtenportal rth.info – Faszination Luftrettung hat das Jubiläum zum Anlass genommen, um in einer mehrteiligen Serie über die Luftrettung in den einzelnen Bundesländern zu berichten (siehe Link im Kontextbereich dieser News).

Darüber hinaus veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen Interviews und Gespräche mit Zeitzeugen aus diesen spannenden fünf Jahrzehnten. Den Auftakt machte das Interview, das unser Korrespondent Jörn Fries Mitte Juli mit dem Luftrettungspionier Hans-Werner Feder aus Kassel geführt hat. Heute folgt sein Interview mit Ruth-Ingrid, genannt Ina v. Koenig.

Ina v. Koenig, die Gründerin der Deutschen Rettungsflugwacht e. V. (DRF), im Jahr 2019

Ina v. Koenig, die Gründerin der Deutschen Rettungsflugwacht e. V. (DRF), im Jahr 2019

Foto: privat

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Frau v. Koenig hatte mit ihren Unternehmungen bereits Ende der 1960erjahre die Hubschrauberversuche des DRK in Mainz (1968; mit Alouette III) tatkräftig unterstützt. Von Anfang September 1972 bis Mitte März 1975 im Vorstand der Deutschen Rettungsflugwacht e. V. (DRF) als “geschäftsführendes Vorstandsmitglied“ tätig, gründete sie kurze Zeit später die S.O.S.-Flugrettung, wiederum als e. V. Diese Organisation ist noch heute im Bereich Organisation und Vermittlung von Rettungsflügen tätig (siehe Weblink im Kontextbereich dieser News).

Jörn Fries: Schön, dass Sie trotz Ihrer Aktivitäten die Zeit zu einem Interview mit rth.info gefunden haben und mit uns gemeinsam auf 50 Jahre zivile Luftrettung in Deutschland zurückblicken möchten. Wie war das damals im September des Jahres 1972, als auf Ihre Initiative hin die Deutsche Rettungsflugwacht als eingetragener Verein gegründet wurde?

Ina v. Koenig:

Die Gründung der Deutschen Rettungsflugwacht war meine Idee. Vorbild war die Schweizerische Rettungsflugwacht, die heutige REGA. Deshalb habe ich damals auch einen ähnlichen Namen gewählt. Ich habe seinerzeit fünf Jahre bis zur Gründung vorgearbeitet, die Gründungsmitglieder ausgewählt, diese besucht und für die Gründung gewinnen können.

Herrn Dr. Fritz Bühler, den Präsidenten der REGA, konnte ich sofort mit Begeisterung gewinnen. Herrn Siegfried Steiger, den ich insgesamt achtmal besuchen musste, um ihn für diese Idee zu gewinnen, habe ich die Position des 1. Vorsitzenden angeboten. Dr. Fritz Bühler wurde Stellvertreter des 1. Vorsitzenden. Außerdem wählte ich den Arzt Dr. Jan Zahradnicek von Daimler-Benz, den Hubschrauberpiloten Klaus Müller, den Industriellen Alexander Piltz mit eigenem Pilotenschein und Flugzeug sowie den Flugunternehmer Günther Kurfiss als weitere Gründungsmitglieder. Für mich selbst habe ich die Position “geschäftsführendes Vorstandsmitglied“ gewählt.

Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Schweizer Pionier der Luftrettung Dr. Fritz Bühler konnten wir bereits am Tag der Gründung am 6. September 1972 – als erste Organisation in Deutschland – den Einsatz eines vollausgerüsteten Ambulanzflugzeugs mit Arzt und Sanitäter oder Krankenschwester anbieten. Den ersten Rettungsheli in Betrieb zu nehmen, dauerte etwas länger, weil wir ja anfangs kein Kapital hatten. Der kam erst im März 1973.

Für den Aufbau des anfänglich kapitalschwachen Vereins habe ich meine ganze Arbeitskraft eingebracht – ehrenamtlich und ohne Spesenersatz. Dazu unterstützte ich den Verein, wo ich nur konnte, auch finanziell durch Zurverfügungstellung von Büro, Telefon, Auto, Mitarbeitern ohne Bezahlung und brachte mein Knowhow als Hubschrauberunternehmerin ein, das damals sehr gebraucht wurde, wie sich herausstellte.

Insgesamt war diese Aufgabe für mich eine Herzensangelegenheit.

Fries: Die allerdings abrupt endete. Wie kam es dann zur Gründung der S.O.S.-Flugrettung, ebenfalls ein eingetragener Verein?

Koenig:

Schon wenige Wochen nach der Gründung der DRF wurde ich von Siegfried Steiger sehr bekämpft. Nachdem dieses Mobbing immer schlimmer wurde, bin ich am 11. März 1975 unter Protest und mit einem entsprechenden Schreiben aus der DRF ausgetreten und habe den gemeinnützigen Verein S.O.S.-Flugrettung ins Leben gerufen.

Als 1. Vorsitzende der S.O.S.-Flugrettung konnte ich meine Ideen schnell umsetzen. Es gelang mir so viele Mitglieder für den Verein zu werben, dass der Verein neben einem Bürohaus eine Bell 206 Long Ranger kaufen und einen Rettungshubschrauber in Sanderbusch bei Wilhelmshaven betreiben konnte. Sie kennen den Standort heute als ADAC-Luftrettungsstation “Christoph 26“. Bei uns hieß er noch “Christoper Friesland“.

Und die Mitgliederwerbung boomte, kann ich Ihnen sagen. Unsere S.O.S.-Autoplakette konnte ich eines Tages sogar in Dubai entdecken, wo ich erste Gespräche mit einflussreichen Scheichs führte.

Fries: Ende der 1970erjahre entstand der Markt der Auslandskrankenversicherungen, Folge eines wegweisenden Urteils des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 1977 zur Übernahme von im Ausland entstandenen Krankheitskosten durch die heimischen Krankenkassen [FRI: Urteil des Bundessozialgerichts Kassel vom 10.10.1978 (AZ: 3 RK 75/77)]. Welchen Anteil haben Sie daran?

Koenig:

Als wir ab September 1972 mit der DRF Ambulanzflüge anboten, haben die Krankenkassen medizinisch notwendige Repatriierungsflüge – wir nannten es damals Heimholungstransporte – mit dem Ambulanzjet oder auch mit einem Linienflugzeug aus dem Ausland zurück in die Heimat oder in eine Spezialklinik in der Regel nicht übernommen.

Um für unsere DRF-Mitglieder notwendige Sekundärtransporte inklusive Auslands-Heimholung kostenlos anbieten zu können, wie dies in der Schweiz den so genannten “Gönnern“ bereits zustand und auch weiterhin zusteht, musste ich eine Versicherung finden, die es damals in Deutschland nicht gab. Durch meine Kontakte zu Versicherungsmaklern konnte ich nach langem Suchen eine Versicherung aus London finden, die zunächst Rücktransport-Kosten bis zu 10.000 D-Mark deckte.

Später wurden die gesamten Kosten übernommen, auch für Flüge aus Australien oder Neuseeland, die oft mehr als 200.000 D-Mark kosteten. Dieses Recht als Mitglied bei der DRF und später bei der SOS war damals einzigartig, und jeder, der auf Reisen ging, war gut beraten, die DRF bzw. die S.O.S.-Flugrettung als Mitglied zu unterstützen. Mit ein wenig Stolz kann ich schon sagen: Aufgrund dieser, meiner Realisierung der versicherten Heimholungstransporte habe ich eine neue Versicherungssparte ins Leben gerufen, die heute jeder Reisende in Anspruch nimmt.

Fries: Verehrte Frau v. Koenig, ich danke Ihnen sehr für dieses erhellende Gespräch – und für die vielen anderen, die ich im Vorfeld dieses Gesprächs mit Ihnen führen durfte. Bleiben Sie gesund – wir sind gespannt, ob wir demnächst noch mehr von Ihnen hören dürfen.

Ina v. Koenig (in der Bildmitte) im Jahr 1976 vor einem Ambulanzflugzeug und der neu angeschafften Bell 206 L Long Ranger

Ina v. Koenig (in der Bildmitte) im Jahr 1976 vor einem Ambulanzflugzeug und der neu angeschafften Bell 206 L Long Ranger

Foto: privat

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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